Die Säulen der Schöpfung - 13
sich die Bäume vor dem undurchsichtigen Naß und versuchten, ihre Wurzeln davon fern zu halten. Sie erspähte die unverkennbare Form eines Oberschenkelknochens, der ein Stück seitlich aus der morastigen Fläche ragte. Der Knochen war mit einem feinen Flaum aus grünlichem Schimmel überzogen, im Großen und Ganzen jedoch konnte man seine Form noch deutlich erkennen. Von welcher Art Tier er stammen mochte, wußte sie nicht; zumindest hoffte sie, daß es ein Tierknochen war.
Zu ihrer Überraschung stieß sie auf morastige Stellen, in denen der Schlamm tatsächlich zu brodeln schien. Klebrige Blasen dunkelbraunen Schlamms blubberten wie auf kleiner Flamme kochend vor sich hin und schleuderten, wobei sie heißen Dampf freisetzten, Klumpen eines zähen Breis in die Höhe. Dort gedieh buchstäblich nichts; an manchen Stellen war der Schlamm zu harten Kegeln getrocknet, aus denen gelblicher Dampf entwich.
Als Jennsen sich vorsichtig einen Weg durch das Gewirr aus Wurzeln, dampfenden Schloten und brodelndem Morast suchte und dabei immer tiefer in das Schattenreich auf dem Grund des Waldes vordrang, erkannte sie, daß die morastigen Abschnitte zunehmend Flächen stehenden Wassers wichen. Anfangs waren es nur kleine Tümpel und Pfützen, in denen es kochte und zischte und aus denen Fahnen beißenden Dampfes aufstiegen. Als sie die heißen Quellen hinter sich ließ, weiteten sich die Gewässer zu großen, von hohem Schilfrohr umstandenen Teichen, über denen sich Schwärme winziger Insekten in kleinen Wolken tummelten.
Schließlich gewannen die stehenden Gewässer endgültig die Oberhand, und der Waldboden wurde schwarz und flüssig. Abgestorbene Baumstämme ragten aus dem schwarzen Wasser, Wächter über ein nach Fäulnis stinkendes Land. Die Schreie und Rufe von Tieren trugen von noch weit düstereren Orten über das Wasser bis zu ihr hin. An einigen Stellen wuchs in Ufernähe, verborgen unter laubreichen Rändern, ein Geflecht aus Entengrütze, das den Unachtsamen mit dem Versprechen auf ein leichter begehbares, grün bewachsenes Geläuf anlockte. Jennsen sah Augen aus der Entengrütze hervorlugen, die sie beobachteten, als sie nicht weit entfernt vorüberging.
Der moosige Untergrund wurde schwammig, bis schließlich auch er nach und nach ganz unter der vollkommen stillen Wasseroberfläche versank. Anfangs konnte sie noch auf den Grund sehen, doch dann wurde es tiefer, bis sie unter sich nur noch undurchdringliches Dunkel sah. Und in diesem undurchdringlichen Dunkel glitten noch dunklerere Schatten vorüber.
Von einer Wurzel auf die nächste tretend, versuchte Jennsen ihr Gleichgewicht zu halten, ohne sich allzu oft an den glitschigen Stämmen der Bäume abstützen zu müssen. Solange sie auf den vorstehenden Wurzelbögen blieb, brauchte sie nicht hinunter in das Wasser zu treten. Sie hatte Angst, unter der Wasseroberfläche könnte sich eine Vertiefung verbergen, in der sie auf Nimmerwiedersehen versank.
Als die Abstände zwischen den Wurzeln, die aus der Wasseroberfläche ragten, immer größer wurden, zog sich der Knoten in ihrer Magengrube mit jedem Schritt ein wenig fester. Sie zögerte, aus Angst, bereits zu weit gegangen zu sein und den Punkt erreicht zu haben, an dem es kein Zurück mehr gab. Andererseits konnte sie ihr Urteil, ob dies der beste Weg ins Sumpfgebiet war, schlecht in Zweifel ziehen, denn es hatte nirgends eine Möglichkeit gegeben, sich zu entscheiden; dies war der einzige Weg gewesen. Leicht vornübergebeugt spähte sie in das trübe Licht, vorbei an Moosfetzen und blätterbewachsenen Schlingpflanzen. Durch Dunst, Schatten und Unterholz meinte sie zu erkennen, daß das Gelände weiter vorn wieder anstieg und der Untergrund trockener wurde.
Jennsen nahm einen tiefen Zug der stickig schwülen Luft und streckte ihr Bein aus, um sich bis zur nächsten kräftigen Wurzel vorzutasten, konnte sie aber nicht ganz erreichen. Sie würde bis zu dem fernen, dicken Wurzelwulst hinüberspringen müssen; eigentlich war es eher ein kleiner Hüpfer denn ein großer Sprung. Was ihr nicht gefiel, war das, was sich womöglich unter ihr befand, falls sie abglitt und ins Wasser fiel. Wenn sie allerdings mit genügend Schwung absprang und die Wurzel genau richtig traf, konnte sie von dort weiter bis auf das gegenüberliegende Ufer springen.
Um sich abzustützen, legte sie ihre Fingerspitzen gegen den glatten, aber klebrigen Stamm eines Baumes. Jennsen holte tief Luft, dann stieß sie sich vor Anstrengung ächzend
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