Die Säulen des Feuers
kam ihr jedenfalls gelegen.
Sie sah eine von Räubern umgekippte beysibische Kutsche. Kahle Köpfe von beysibischen Männern lagen herum wie Bälle eines teuflischen Spieles, die Rümpfe ganz in der Nähe, aber von ihnen getrennt. Sie sah, welches Schicksal die Beysiberinnen erlitten, und fragte sich, was die Rebellen sich von dem Ganzen erhofften. Solange sie ihren Krieg auf die Unterstadt beschränkten, könnten sie ihn möglicherweise gewinnen. Hier oben jedoch forderten sie Vergeltung heraus, die Generationen andauern würde.
Bei den mitleiderregenden Schreien hielt sie eine Weile an und schloß die Augen – sie verließ sich darauf, daß ihr Tarnzauber sie unsichtbar machte. Als sie weiterging, war sie gestärkt, aber sie fühlte sich übel, denn sich von Abfällen zu nähren war erniedrigend. Doch im Krieg konnte man das nicht so genau nehmen.
Donner krachte. Sie blickte hoch, dankbar für die sich noch tiefer senkende, gewittrige Dunkelheit, aber vorsichtig: Sie würde zu Ende führen, was sie begonnen hatte, außer die Sturmgötter verhinderten es. Sie schuldete Tempus etwas. Und sie schuldete Haught etwas ganz anderes.
Sie mußte ihr Wort halten. Sie mußte ihre Interessen schützen. Sie hatte noch zu tun, ehe sie sich in ihr Haus am Schimmelfohlenfluß zurückziehen konnte.
Es war nicht schmerzlos für Ischade, sich am Tag zu Tasfalens Haus zu stehlen. Janni, einer der ihren, war noch in der Feuersäule gefangen, wo Sturmbringer und Dämon stritten, wo Roxane gewesen und nun nicht mehr war.
Was würde Tempus, der die Seelen seiner Soldaten frei von Fesseln und Qualen haben wollte, von Jannis mißlicher Lage halten? Für seine Begriffe war das kaum ein ehrenhafter Ruheort, in ihren Augen jedoch ein Bravourstück im wahrsten Sinne des Wortes, dessengleichen sie nie zuvor gesehen hatte.
Alles für Niko oder für etwas Abstrakteres? fragte sie sich, als sie Tasfalens Tor und danach die Stufen fand. Dann wandten sich ihre Gedanken Haught und Roxane zu und was vor ihr lag, während sie sich mit Schlössern natürlicher und anderer Art beschäftigte und mit Türen ebenfalls von beiderlei Art. Und als sich die letzte Tür ihrem Willen beugte, trafen Regentropfen ihre Wange, und Donner grollte.
Das Unwetter würde den Staub zu Boden drücken und das Feuer löschen. Sie wußte, daß das ein zu großes Glück für Freistatt war, die glückloseste Stadt, die sie je gesehen hatte. Sie wußte auch, daß in der flammenden Säule am Peres-Haus das Böse von einem festgehalten wurde, dessen Namen nicht ausgesprochen, nur umschrieben werden konnte: Sturmbringer, der Vater der Wettergötter – Sturmbringer, dessen Tochter Jihan ganz in der Nähe war.
Doch dann blieb keine Zeit mehr, alles zusammenzufügen: An Haughts Finger steckte ein Ring, den sie mit ihrem inneren Auge sehen konnte.
Über ihn strich sie und rief ihn zu sich zurück. Sein noch starker Zauber würde den ränkevollen Lehrling herbeiführen – wenn er nicht bereits hier war.
In den Schatten der Eingangshalle hielt sie an. Der Wind schmetterte die Tür hinter ihr zu. Der Krach war einschüchternd.
Ihre Wut wuchs – sie hatte nicht an den Ring in Haughts Besitz gedacht, bis sie eingetreten war. War es ihr Wille oder nur ihre Wahrnehmung, die ihr Haught zeigte?
Weshalb war sie hierhergekommen? Plötzlich war sie nicht mehr sicher. Vor der Treppe schüttelte sie den Kopf und berührte die Stirn mit der Handfläche. Sie schuldete Tempus das nicht – nicht so viel. Tasfalen war tot, ein Günstling, den sie zum Haus am Fluß rufen konnte. Warum war sie dann durch die unsicheren Straßen gegangen und hierhergekommen?
Warum? Sie begriff es nicht.
Doch dann tat sie es, als Haughts honigsüße Stimme von einem Schatten am Kopfende der Treppe herunterklang.
»Ah, Gebieterin, wie gütig von Euch, Krankenbesuche zu machen, wenn so viel für Euch auf dem Spiel steht.«
Sie langte nach dem Ring, den er trug, doch der Lehrling griff selbst danach: er war verzweifelt, schmerzerfüllt und wollte ihn ihr zum Geschenk machen.
Plötzlich (mehr, weil sie unterschätzte, was hinter ihm lag und was er in sich verbarg, als wegen Haught selbst) wurde ihr schwindelig, und sie wirbelte an einen anderen Ort, einen Ort voll Blut und trübem Wasser – von Eis und einem großen Tor, dessen Riegel verbogen waren, als hätte ein Riese Hand daran gelegt, um sich Durchlaß zu verschaffen.
Nikos Ruheort! Wie war sie hierhergekommen? Sicher nicht durch Haughts Kräfte.
Ein
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