Die Säulen des Feuers
Befehlshaber am entgegengesetzten Ende des Saales, und die beiden starrten einander an.
»Straton«, sagte Tempus. Nun wußte Moria, wer er war. Sie fühlte die Kälte, hörte den Donner über dem Haus krachen und spürte die Spannung unter diesen Männern, die Spannung, die etwas mit dem Neuankömmling und seiner Anwesenheit zu tun haben mußte. Nur Tasfalen war bestürzt, er hielt sein Weinglas in der Hand und starrte Tempus an, als wäre ihm plötzlich klargeworden, daß er sich in gefährlicher und ungewohnter Gesellschaft befand.
»Befehlshaber.« Straton schritt in den Saal. Alles entglitt ihrer Kontrolle. Rasch ging Moria vorwärts, ihre Kehle war vor Angst zugeschnürt und das Denken fiel ihr schwer.
»Unsere Gastgeberin«, sagte Tasfalen und beeilte sich, ihre Hand zu nehmen. Sie holte tief Atem; ihr Kopf drehte sich vor Mangel an Schlaf und dem Geruch des Weines, von dem sie noch nicht einmal gekostet hattet. Sie machte einen zögernden Schritt, während Tasfalen ihre Hand festhielt.
»Bitte«, sagte sie. Ihre Stimme war heiser und atemlos. »Bitte setzt euch. Shiey …« Nein, bei einer so vornehmen Gesellschaft schrie man nicht nach der Köchin. Sie bemühte sich, ihre Hand zu befreien. »Bitte.«
Tempus bewegte sich. Hätte sich ein Berg auf ihren Wunsch bewegt, es hätte sie nicht mehr erstaunen können. Zu ihrer Erleichterung sah sie, daß alle Männer zu ihren Plätzen gingen, zu den Doppeltischen, die wie ein Wunder ausreichten, ja an denen sogar noch mehr hätten sitzen können.
Straton – IHR Straton – ging die andere Seite der Tische entlang bis auf die Höhe von Critias und Tempus, warf seinen Umhang auf den Haufen anderer in der Ecke, dann stellte er sich ruhig hinter den Stuhl, den er erwählt hatte. Er blickte niemanden an. Auch sie nicht. Sie hätte am Rand eines Abgrunds schwanken können.
Tasfalen führte sie zu dem Platz in der Mitte am Kopf des obersten Tisches. Sie schüttelte heftig, verzweifelt den Kopf. Tempus stand neben dem Stuhl, dem Platz der Gebieterin. Sie aber gehörte an die Tür. Sie hatte vergessen, ihnen die Umhänge abzunehmen, so hatten sie sie in der Ecke auf einer unbenutzten Bank abgelegt oder über ihre Stuhllehnen gehängt. Die Köchin wartete mit dem Essen. Sie mußte in die Küche und ihr die Anweisung geben.
Augen schweiften von ihr zur Tür. Sie drehte sich um, klammerte sich an den Zierknauf des Stuhles und sah Ischade am Eingang stehen – eine Ischade ohne den üblichen Umhang, in einem tief ausgeschnittenen nachtblauen Gewand, mit funkelnden Saphiren am Hals, das schwarze glatte Haar kunstvoll hochgesteckt.
Straton verließ seinen Platz, schritt durch die tiefe Stille und bot Ischade den Arm. Stumm nahm sie ihn, und er führte sie durch drückendes Schweigen an den vielen Tischen vorbei zu ihrem Platz. Moria holte Luft, sie hatte vergessen zu atmen. Ihr wurde so schwindelig, daß sich ihre Hände um die Lehne verkrampften, als Tasfalen die Hand von ihrer Taille nahm. Ischade war kurz stehengeblieben, um ihm ihre Hand zu geben, nachdem sie sich Stratons Arm entzogen hatte. Das Schweigen erzitterte. Verzweifelt griff sie nach dem nächsten Stuhl, so daß der am Rand des Kopfendes für Tasfalen blieb. Sie sah, daß Ischades Nasenflügel vor mühsam unterdrücktem Zorn bebten.
Sie will ihn! dachte Moria, und ihre Knie drohten unter ihr nachzugeben. Tasfalen gehört ihr! Mit allen Folgen. Sie wünschte sich, sie könnte aus dem Saal laufen. Bei jedem Atemzug spürte sie die Feder zwischen den Brüsten. Fühlte etwas – Schreckliches in der Luft. Straton stand reglos da mit starrem Gesicht. Niemand hatte sich bewegt.
»Lord Tasfalen«, sagte Ischade und wandte den Blick Moria zu, streckte ihr die Hand entgegen. »Moria, meine Liebe.« Ischades Hand schloß sich um ihre. Zog sie näher heran, so dicht, daß Ischades Parfüm ihr in die Nase stieg. Ohne ihre Hand loszulassen, drückte Ischade sacht die trockenen, kühlen Lippen auf ihre Wange. »Wie großartig du aussiehst.«
Moria schwankte auf den Beinen. Ischade quetschte ihre Hand und sandte stechenden Schmerz durch sie, und einen Augenblick lang öffneten sich Abgründe vor ihren Füßen.
Dann gab Ischade ihre Hand frei und schob sich an ihr vorbei zu Tempus. Moria drehte den Kopf, klammerte sich wieder an den Stuhl und starrte in hilfloser Angst auf Tempus' Gesicht und die unendliche Behutsamkeit, mit der er Ischades kleine Hand in seine riesige nahm. Macht und Macht. Die Härchen stellten sich
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