Die Säulen des Feuers
war mit gallertigem Zeug überzogen, eine Binde bedeckte das andere.
»Verdammt«, knurrte Tempus den Priester an, »ist dieser Rauch nötig?« Er nahm Niko am Arm, führte ihn in die reinere Luft und schloß die Tür. »Diesmal ist es kein Rat, sondern ein Befehl: Geh ins Bett!«
»Kann nicht schlafen«, entgegnete Niko. Eine aschbraune Strähne hing über die Stirn, und einige Haare klebten in der Salbe, die Jihan aus Zutaten hergestellt hatte, über die man lieber schwieg. »Sinnlos …«
»Du redest Unsinn.« Tempus zog Niko am Arm mit sich.
»Ich habe Janni gesehen«, murmelte Niko im Fieberwahn. »Hier habe ich ihn gesehen …«
»Du kannst gar nichts sehen und wirst nichts sehen, wenn du nicht aus diesem Wahnsinn herauskommst und die Bälger den Priestern überläßt!«
»Randal …«
»Randal kann sich um sie kümmern.« Er erreichte die Schlafkammer, die man Niko zugeteilt hatte, öffnete die Tür und führte ihn bis zu dem zerwühlten Bett. »Du bleibst jetzt hier! Oder muß ich eine Wache aufstellen?«
»Mit den Augen ist es gar nicht so schlimm«, murmelte Niko. Aber er tastete nach dem Bett und setzte sich wie ein Geschundener mit zu vielen Wunden und Quetschungen.
Tempus hatte keine. Sie waren verheilt. An ihm heilte alles sogleich. Nur Niko hatte Verbände, Niko hatte Narben, Niko war verwundbar wie alles, was er liebte. »Bleib hier«, sagte er, zu scharf. »Ich habe auch so genug. Ich brauche das nicht.«
Niko fügte sich stumm und legte sich mit geschlossenen Augen auf das Bett. Tempus hatte nicht beabsichtigt gehabt, das zu sagen oder zu tun. Er faßte Nikos Hand und drückte sie. Dann ging er.
Sag das verdammte Bankett ab! dachte er. Was soll es? Wie konnte ich bloß meine Zustimmung geben?
Das war, ehe die Hölle ausbrach; um eine aufgebrachte Stadt zu beruhigen; um mir ein Bild von der Hexe und ihren Absichten zu machen. Und um die Fäden zu erkennen, die Strat hier und da und dort durch die Stadt gezogen hat. In dieser Hinsicht war es vernünftiger, hinzugehen als wegzubleiben. Die Sache war ein rollender Stein, sagte er jetzt ab, würde es der Stadt zu denken geben. »Seelen der Euren und der meinen …« Straton war eine der Seelen, für die unmittelbare Gefahr bestand. Und wenn etwas Straton in Reichweite bringen konnte, dann die Einladung seiner eigenen Hexenliebsten.
Warum diese Einladung? Warum diese Hofierung der Stiefsöhne?
Das war die Frage, die ihm zu schaffen machte. Wieder dachte er an Korphos und die Pfeile. Und an vergifteten Wein. Und an den Kaiser.
Er war nicht an direkte Herausforderung gewöhnt; aber möglich wäre es.
Die Tür stand offen für den steten Strom martialischer Gäste, die zu Fuß ankamen oder vor dem Eingang von ihren Pferden absaßen, deren Waffen, die sie nicht ablegten, in der Vorhalle klirrten und klapperten. Eine Pranke nach der anderen nahm Morias Hand, als sie ihre Gäste an der Tür ihres geborgten Hauses empfing: Moria, eine gepuderte und parfümierte Kleiderpuppe, die immer und immer wieder sagte: Wie freundlich von Euch. Danke. Willkommen, mein Herr. Und lächelte, bis ihre Zähne schmerzten. Hände, die ihre Finger hätten zermalmen können, hoben sie zu Lippen in Gesichtern, die glatt waren, bärtig, schnurrbärtig, braunhäutig, weißhäutig, ungezeichnet, narbig. Und jedesmal, wenn sie ihre Hand zurückbekam und einen Moment zu lange in die Augen dieses oder jenen Mannes blickte, hatte sie das Gefühl, daß ihr blaues Satingewand zu tief ausgeschnitten war, sie zuviel Parfüm benutzt hatte und daß sie selbst abgeschätzt wurde wie die teuren Vasen und das Tafelsilber. Und sie war die Diebin!
Ein Mann nach dem anderen, keine einzige Frau darunter, bis ein großes Mädchen mit einem langen Zopf hereinschlenderte und ihr die Hand mit einem Griff, der kräftiger als der Handschlag der Männer war, schier zerquetschte. »Kama«, nannte sie ihren Namen. Ihre Augen schwelten furchterregend. »Sehr erfreut«, hauchte Moria. »Danke. Bitte tretet ein. Der Bankettsaal ist rechts, neben der Treppe.« Verstohlen massierte sie rasch die Finger, ehe sie die Hand tapfer den nächsten Eintreffenden reichte und weitere auf der Straße sah. Und immer mehr kamen. Bestimmt reichte der Wein nicht. Eine Locke löste sich aus ihrer Frisur und fiel auf den Nacken. Hastig hob sie beide Hände und steckte die Locke wieder mit einer Haarnadel fest, als ihr bewußt wurde, daß der große Soldat vor ihr in ihr Dekolleté hinunterblickte. Sie streckte ihm
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