Die Säulen des Feuers
der zweiten wegen keine Sorgen zu machen, was auch immer ihre früheren Besitzer gewesen sein mögen.« Er sagte ihr lieber nicht, daß Randals Kugel immer noch, von Nichts umgeben, auf dem Tisch hinter ihm ruhte.
Illyra schüttelte den Kopf, bis ihre Kapuze zurückglitt und ihr dunkles gelocktes Haar über die Schultern fiel. »Es ist ein Geiststein und die Dämonen haben ihn verdorben«, beharrte sie. »Sein Besitz ist für Menschen schädlich.«
»Er könnte vernichtet werden, genau wie der andere.«
»Nein.« Sie wich zurück, als hätte er sie geschlagen. »Nicht vernichten! Das würde Freistatt – die Welt nicht überstehen. Schickt ihn zurück zu den Feuern der Schöpfung – oder in die Tiefe des Meeres!«
»Er ist harmlos, Illyra. Er wird niemandem schaden, und niemand wird ihm schaden.«
Sie starrte abwesend auf den Tisch. Molin fragte sich, was ihre S'danzosicht wirklich offenbaren konnte. »Das Böse in ihm schreit des Nachts, Fackelhalter, und dagegen ist niemand gefeit.« Sie zog die Kapuze wieder hoch und ging zur Tür. »Niemand!« mahnte sie, ehe sie ihn verließ.
Der Priester trank seinen Glühwein aus, dann öffnete er das Fenster. Die Zeit verging immer auf seltsame Weise, wenn Illyra mit ihm sprach. Als sie eintraf, war es nicht später als früher Nachmittag gewesen, doch nun war die Sonne bereits untergegangen und eine Nebelbank schob sich über den Hafen zur Stadt. Er hätte dafür sorgen sollen, daß jemand sie in den Basar zurückbegleitete. Trotz ihrer Eigenheiten war Illyra eine seiner geschätztesten Informanten.
»Ist es nicht etwas früh, sie heimzuschicken, Fackel?« fragte eine bekannte Stimme hinter ihm. Molin drehte sich um, als sich Tempus auf einen Stuhl setzte, der knarrte und plötzlich viel zu klein wirkte.
»Sie ist die Mutter des anderen Kindes. Manchmal bringt sie mir Informationen. Ich trenne Geschäftliches vom Vergnügen, Geheimnisvoller.«
Sie benutzten Söldnernamen, wenn sie sich trafen; ihre Persönlichkeiten schufen immer die Aura eines Schlachtfelds zwischen ihnen.
»Welche Information hat sie heute gebracht?«
»Sie macht sich Sorgen wegen der Kugeln und ihrer Besitzer.« Molin lächelte und zuckte die Schultern, während er Hoxas Hocker durchs Gemach zog, um sich neben seinen Gast zu setzen. »Ich nehme an, Ihr müßt einen Besitzer fragen.«
»Warum habt Ihr das nicht? Ihr seid doch angeblich Randals Lehrling.«
»Ich habe unseren langohrigen Hasard nicht mehr gesehen, seit er vergangene Nacht losstürmte, um Euch zu suchen. Sieht so aus, als hätte der junge Niko eine Art Rückfall gehabt.«
Tempus legte milde Schärfe in seine Stimme: »Ich habe Randal seit Tagen nicht mehr gesehen, Niko jedoch, ehe ich zu Euch heraufkam. Er war aus dem Bett und beschwerte sich über Jihan. Niemand hat etwas von einem ›Rückfall‹ erwähnt.«
»Nun, unser kleiner Magier ist in dieser Hinsicht etwas naiv, keusch und jungfräulich rein wie er ist. Jedenfalls sah er etwas, das er nicht sehen wollte, etwas, das er ›Rückfall‹ nannte, und stürzte aus der Stube, als wäre ihm ein Geist erschienen. Macht Euch Euer eigenes Bild, Geheimnisvoller.«
Die Schärfe und ein wenig seiner Selbstsicherheit schwanden aus Tempus' Stimme. »Roxane! Der Tod hält die Todeskönigin also nicht auf. Sie greift nach mir, wo ich keinen Schutz habe. Hat Niko nicht schon genug gelitten?« fragte er einen Gott, der nicht mehr zuhörte.
»Wir haben Roxanes Leiche nie gefunden. Und wie Ihr selbst gesagt habt, kann sie einen Körper genauso leicht stehlen wie eine Seele. Sie paktierte in jener Nacht mit Dämonen; sie hatte die Macht, in seinen Schädel zu dringen wie ein Lufthauch – und wir würden es nie merken!«
»Jihan sehr wohl. Sie sagt, da ist nicht ein Stäubchen von Niko, das nicht pur wäre. Purer Schmerz. Ich versuchte ihn einmal dazu zu bringen, mich zu hassen, da litt er nur noch mehr.«
»Verdammt, Mann! Er litt nicht, als ich ihn vergangene Nacht sah!« schrie Molin und hieb die Faust auf den Tisch, damit Tempus ihm zuhörte. »Wenn Roxane nicht in Niko steckt, dann ruft er sie selbst mit diesen Träumen zurück. Wir könnten da ein ernstes Problem haben.«
»Ich würde selbst in die Hölle gehen, um ihn von ihr zu befreien!« erklärte Tempus fest und stand auf.
»Roxane ist nicht in der Hölle – sie ist in Niko. In seiner Erinnerung. In seinem Verlangen. Er bringt sie zurück, Geheimnisvoller. Ich weiß nicht wie, aber ich weiß, was ich gesehen
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