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Die Säulen des Feuers

Titel: Die Säulen des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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Fenster zurück. Ihm war die Fähigkeit geblieben, Magisches zu sehen, doch Magisches sah ihn nicht mehr. Das war ein geringer Preis für die gewöhnlichen Sinne, die zurückkehrten. Außerdem hatte er es erwartet. Er packte eine Handvoll zerknitterter Linnen vom Bett und war dabei, es in Streifen zu zerreißen, ehe er bemerkte, daß Moria auf dem Boden kauerte.
    »Zieh dich an!«
    Sie stand auf und begutachtete die wirre Verschnürung ihres Mieders. Tief seufzend ließ Stilcho das Linnen fallen und faßte sie um die Handgelenke. Ihr Busen berührte seine Hände.
    »Ihr Götter, Moria – deine Kleider, Morias Kleider. So, wie du jetzt aussiehst, kannst du nicht auf die Straße!«
    Morias Gesicht verlor ein wenig seiner völligen Leere, als die Hoffnung durch ihre Panik drang, daß Stilcho – der lebende, atmende Stilcho – sie irgendwie von hier fortbringen könnte. Sie zerrte die Verschnürung auf und riß das zerfetzte Gewand und die Erinnerungen von sich, warf den Deckel der geschnitzten Truhe zurück und kramte unter den prunkvollen Gewändern, mit denen Ischade sie ausgestattet hatte, nach ihrem fleckigen und zerrissenen Straßenkittel von einst.
    Sie war nicht besonders leise in ihrer Eile, als sie unerwünschte Spitzen- und Satinkleidung hinter sich auf den Boden warf, doch bei dem Wimmern der Kugel und Strats Schreien war zweifelhaft, daß irgend jemand in der Küche es hörte oder sich dafür interessierte. Stilcho riß weitere Streifen von dem Linnen.
    Blut würde den Braunen anziehen. Stilcho holte den blutigen Fetzen aus seinem Ärmel und band ihn an das Linnen. Er hatte Blut benutzt, um die Toten über den Fluß in die Oberstadt zu bekommen. Strats Blut würde das Pferd in Konflikt mit den Schutzzaubern bringen und damit die Schwachstellen offenbaren.
    »Was machst du?« fragte Moria und zwang die letzten rankanischen Rundungen in den nun eng anliegenden ilsigischen Kittel.
    »Einen Blutköder«, antwortete er. Er ließ das behelfsmäßige Seil aus dem Fenster und schwang den stumpfroten Knoten an seinem Ende auf das Pferd zu.
    Sie rannte durch das Gemach. »Nein! Nein!« protestierte sie und versuchte ihm das Linnen zu entreißen. »Sie werden es sehen, dann wissen sie, was wir vorhaben. Wir können über das Dach hinaus.«
    Stilcho hielt sie mit einem Arm zurück und schwang seinen Köder weiter. »Schutzzauber«, murmelte er. Der Braune war aufmerksam geworden. Seine Augen, wie Stilcho auf seine andere Weise sah, waren heller, sein Fell kräuselte sich vor Zorn.
    Aber Schutzzauber sagten Moria gar nichts, obwohl sie zu Ischades Leuten gehörte. Sie rammte ihre geballten Finger in seinen Unterleib und wollte sich ins Freie stürzen. Er konnte sie gerade noch um die Taille fassen und zurückhalten. Das Linnen entglitt seinen Händen und flatterte auf die Straße hinunter. Moria wimmerte. Er preßte ihr Gesicht an seine Brust, um ihre Laute zu dämpfen. Schutzfeuer, das sie zwar nicht sehen konnte, das aber deshalb nicht weniger schmerzhaft war, zuckte um ihre Hände und Unterarme.
    »Wir sind gefangen!« keuchte sie. »Gefangen!«
    Wieder verzerrte Hysterie ihr Gesicht. Er umklammerte ihre Handgelenke, daß der Schmerz sie verstummen ließ.
    »Strat ist da unten. Straton! Sie werden ihm helfen. Das Pferd wird sie holen, Moria. Ischade, Tempus, sie alle werden kommen, ihn zu retten – und uns.«
    »Nein, nein.« Nur noch das Weiße ihrer Augen war zu sehen. Nicht SIE. Nicht SIE …
    Stilcho zögerte. Er erinnerte sich an diese Angst, diese verzehrende Angst, die er vor Ischade empfand, vor Haught, vor allem, was Macht über ihn hatte – aber auch das hatte er vergessen. Der Tod hatte ihm diese Furcht ausgebrannt. Er spürte Gefahr, Verzweiflung und den latenten Tod, von dem dieses Haus und dieser Nachmittag durchdrungen war – aber er empfand keine panische, lähmende Angst mehr.
    »Ich werde Strat retten – ihn verstecken, bis sie ihn holen kommen. Auch mich werde ich retten. Ich habe heute Glück, Moria: ich lebe und habe Glück. Auch ohne das Pferd …«
    Aber er war nicht ohne den Braunen. Der blutige Lappen war auf der kunstvoll gehauenen Steintreppe gelandet, die einst der Stolz der Familie Peres gewesen war. Der Braune schlug auf die Stufen, Schutzfeuer hüllte ihn ein, ohne ihm etwas anzuhaben. Er roch Strats Blut, das auch in die Holzdielen des unteren Korridors gesickert war, und hörte seine Schmerzensschreie. Er wieherte seine Treue hinaus, die Leben und Tod überdauerte, bäumte sich

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