Die Säulen des Feuers
Gold- und Silberglitzer; ihre normalerweise schlanken Hüften waren durch seitwärts ausstehendes Geflecht unter den Röcken verbreitert, das viel Platz für ihre Lieblingsschlangen bot. Ihr hüftlanges blondes Haar hatte man mit Golddraht durchflochten, so daß es sie wie ein Cape umgab und sie gezwungen wurde, ständig geradeaus zu blicken. Es war ein Staat, wie sie ihn seit ihrer Kindheit getragen hatte, doch nachdem sie sich inzwischen an die bequemere Kleidung rankanischer Edler gewöhnt hatte, kam sie sich darin unbeholfen vor und befürchtete, das bevorstehende Ritual nicht durchzuhalten.
»Du darfst nicht schwitzen«, rügte ihre Tante und erinnerte sie an die körperliche Zucht, die vom Avatar der Mutter Bey gefordert wurde.
Sie stählte sich, und die unerfreuliche Perspiration hörte auf.
Schritte kamen durch die schmale Tür hinter ihr. »Du bist nervös«, sagte eine willkommene Stimme, und der Prinz griff beruhigend nach ihrer Hand.
»Unsere Priester wollten, daß wir warten, bis der fünfte Absud gemacht ist, aber das können wir nicht wagen. Nicht nach diesem Nachmittag. Wir haben ihren Befehl widerrufen. Zum erstenmal haben wir das getan. Sie sind besorgt, aber wir glauben, daß Warten gefährlicher ist als Erfolg oder Versagen.«
»Mutter Bey leitet dich«, versicherte ihr Kadakithis und drückte ganz sanft die ringüberladenen Finger.
Shupansea hob ganz leicht die Schultern. »Sie sagt nur, daß ich danach nicht allein sein darf.«
Der Prinz, der sich endlich durch ihre Kammerfrauen gezwängt hatte, um sich vor sie stellen zu können, wo sie ihn sehen konnte, verzog das Gesicht. »Du bist ja leider nie allein, Shusea.«
Sie lächelte und schenkte ihm einen Blick, der bewies, daß beysibische Augen sinnlich sein und einen aus der Fassung bringen konnten. »Heute nacht werde ich allein sein – allein mit dir!«
Die Musik wechselte abrupt. Ehe der goldenhaarige Prinz seiner Überraschung oder Freude Ausdruck verleihen konnte, wurde er höflich, aber unerbittlich zur Seite geschoben.
»Es ist soweit!«
Die Beysa trat auf einen goldgewirkten Läufer, der vom Alkoven zum Altar führte. Ihre Schritten waren zunächst unsicher, sie schwankte zwischen den ausgestreckten Armen ihrer Hofdamen. Aus ihren glasigen Augen sprach keine Macht, nur die Angst vor dem greisen, kahlköpfigen Priester, der mit einer Phiole aus hauchdünnem Glas und einem Obsidianmesser mit außerordentlich scharfer Klinge auf sie wartete.
Ihre Vipern, die auf den Weihrauch und die Musik aufmerksam wurden, wanden sich aus dem Rockgeflecht. Shupansea zitterte unwillkürlich, als ihre Schuppen kalt zwischen ihren Oberschenkeln dahinglitten – denn die Cosa war für die Zurschaustellung der Schlangen gedacht und für deren Bequemlichkeit, nicht für die des Avatars. Die Giftzähne von drei Schlangen bohrten sich tief in empfindliches Fleisch: Die Vipern nahmen ihr ihre Angst übel. Gift, das gereicht hätte, ein Dutzend Menschen zu töten, schoß in sie. Sie stöhnte gegen ihren Willen, dann entspannte sie sich, als die ruhige Kraft von Mutter Bey sie umhüllte.
Shupansea hob die Cosa fort von ihrem Körper. Die Schlangen schauten hinaus, entblößten die feuchten Zähne und roten Mäuler. Nun war es ihr Priester, der merklich zitterte. Der greise, kahlköpfige Mann rief Molin zum Altar. Ohne Zeremonie oder Erklärung übergab er die rituellen Artefakte der alten Ordnung der neuen und rannte aus dem Saal.
Molin hielt beide mit sichtlichem Unbehagen, ja regelrechter Angst. »Was soll ich tun?« krächzte er leise.
»Die Zeremonie zu Ende führen«, wies ihn die Stimme, die er zuletzt in Sturmbringers wirbelndem Universum gehört hatte, aus Shupanseas Mund an.
Fackelhalter nickte. Die Phiole enthielt Blut von den Sturmkindern, Gift von der Schlange, die Niko mit Askelons Waffe getötet hatte, und Lebenssaft von Roxanes Riesenschlange; das alles war gemischt und viermal mit mehreren Pulverarten destilliert worden, mit denen die beysibischen Priester sich zwar auskannten, für die sie jedoch keine Namen hatten. Allein an den Dämpfen zu riechen, konnte einen Menschen töten, und ein Tropfen des Destillats mochte genügen, eine ganze Armee zu vergiften. Molin beabsichtigte, sehr vorsichtig zu sein.
»Zuerst die Phiole«, wies der Avatar ihn an. »Gieß den Inhalt auf die Messerklinge und gib sie unseren beiden Kindern.«
Molin blieb mit halboffenem Mund reglos stehen.
»Die Schlangen«, flüsterte Shupanseas normale Stimme,
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