Die Säulen des Feuers
den Armen aus dem Ilsigischen Schlafgemach.
Molin blickte ihm nach, als er durch die Tür ging und sich nach links wandte, zur Gemächerflucht des Prinzen, statt nach rechts zu ihrer. Er unterdrückte ein Lächeln, denn er sah, wie die Beynit Zuflucht bei anderen Beysiberinnen suchten, die sich nicht alle so wohl dabei fühlten wie Shupansea, wenn eine Schlange unter ihren Gewändern herumkroch.
Unbeeindruckt von der Feierlichkeit ringsum benahmen sich die Sturmkinder, als wären sie aus ihrem täglichen Nachmittagsschläfchen erwacht. Die Samtdecke hatten sie bereits vom Altar gezogen. Arton wickelte sie in unbewußter Nachahmung wie eine Kopfbedeckung seiner S'danzomutter um seinen Kopf, während Gyskouras die goldenen Quasten von ihrem Saum zu reißen versuchte.
Der Priester wandte sich an Isambard, seinen einzigen Akoluthen, von dem man kaum erwarten konnte, daß er sich bei den Sturmkindern durchzusetzen vermochte, wenn sie unternehmungslustig waren oder miteinander stritten, wozu es sicher bald kommen würde. »Isambard, lauft hinunter zum Hypokaustumraum und sagt Jihan, daß die Kinder sie mehr als andere brauchen.« Der junge Mann verbeugte sich, ging rückwärts zur Tür und eilte davon.
Dann wandte sich Molin den Beysibern im Gemach zu. Die Musikanten sandte er sofort mit kurzem Dank weg. Die Hofdamen starrten ihn an und forderten ihn geradezu heraus, es zu wagen, ihnen Befehle zu erteilen. Sie hoben die abgerissene Cosa auf und trugen sie ehrerbietig aus dem Gemach. So blieben nur noch zwei Handvoll Priester, die ihm Mutter Beys Hohepriester zurückgelassen hatte. Alle hatten sie die Stirn bis fast zum Boden gesenkt.
Ohne auf die Brandlöcher zu achten und das Sakrileg zu bedenken, das er damit begann, stapfte er auf dem Goldläufer hin und her. »Ich glaube, ein kleiner Imbiß wäre angebracht. Etwas Wohlschmeckendes und Leichtes, Meeresfrüchte, vielleicht, und was an Obst in der Speisekammer zu finden ist. Und Wein, verdünnten, würde ich sagen, er würde ihren Appetit nicht schmälern.« Er hielt inne und wartete interessiert, welche der glänzenden Köpfe sich als erster heben würde.
»Ihr kümmert Euch darum.« Er deutete auf den Neugierigsten. Mit ihren kahlen Schädeln, den Glupschaugen, wallenden kurzen Gewändern und langen, engen Beinkleidern fand er, daß alle Beysiber gleich aussahen. Selten, daß er sie als eigene Persönlichkeiten sah.
Der Beysiber, an den er sich gewandt hatte, räusperte sich verlegen. »Allmutter Beys Priester dienen nur ihren göttlichen Aspekten. Wir … das heißt, Ihr, der Regum Bey, dient nicht dem Avatar«, erklärte er.
Fackelhalter beugte sich vor und faßte nach dem schweren Anhänger an der Brust des Mannes. Er wand die goldene Kette um seine Finger und benutzte sie als Würgeschnur. »Die Beysa wird hungrig sein. Mein Prinz wird hungrig sein«, sagte er mit der sanften, eindringlichen Stimme, die seine eigenen Leute zu fürchten gelernt hatten.
»Es ist ungehörig. So etwas haben wir noch nie gemacht!« protestierte der Beysiber. Sein Gesicht verfärbte sich, als der rankanische Priester ihn auf die Füße zog.
»Es gibt für alles ein erstes Mal. Jetzt könnte das erste Mal sein, daß Ihr in die Küche geht, aber auch das erste Mal, daß Ihr sterbt …« Molin drehte die Goldkette noch ein wenig.
Es stimmte, daß die Augen der Beysiber überwiegend weiß waren, wenn sie starrten. Mutter Beys Priester röchelte und klammerte sich mit beiden Händen an Fackelhalters Handgelenk. »Ich kümmere mich darum, Lord Fackelhalter.«
Der Mosaikboden des Hypokaustumgemachs stand knöcheltief unter Eiswasser. Isambard zog die Sandalen aus, das einzige Paar, das er besaß, band es zusammen und hängte es sich über die Schultern, ehe er hindurchwatete. Er hielt die Laterne hoch und sah sich ängstlich um, denn er wußte, daß es hier Schlangen gegeben hatte, aber nicht, ob das kalte Wasser sie behinderte. »Höchstverehrte Lady Jihan?« fragte er in die Dunkelheit und bediente sich derselben Anrede, wie früher bei Molins Gemahlin, die Vashankas Hohenpriester längst verlassen hatte.
Schweigen.
»Höchstverehrte Lady?« versuchte er es noch einmal und ging ein paar Schritte weiter.
Sie lagen auf einem Haufen auf dem Bett, auf das sie den dämonenbesessenen Söldner Nikodemus gebunden hatten: Jihan, Tempus, Randal und wahrscheinlich auch Nikodemus – in diesem Licht konnte Isambard nicht sicher sein. Sie waren nicht tot, zumindest nicht alle, denn jemand
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