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Die Säulen des Feuers

Titel: Die Säulen des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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Mobs. Er langte mit der Linken hoch, ohne die Zügel loszulassen, fing den Pfeil aus der Luft und brüstete sich, wie er es selten tat, mit seinen übernatürlichen Kräften. Während er den Pfeil hochhielt und wie einen Strohhalm zwischen den Fingern knickte, donnerte er mit gebieterischster Stimme: »Zip und ihr Rebellen hier, verschwindet, oder ihr bekommt meinen persönlichen Zorn zu spüren – er wird euch bis zu eurem Tod verfolgen und auch vor euren Nachkommen nicht haltmachen!«
    Da rief Zip aus einer Düsternis, in der alle weißen Gesichter gleich aussahen und die dunkleren der Winder unsichtbar wurden: »Holt mich doch, Geheimnisvoller! Eure Tochter hat es auch getan!«
    Genau das würde er tun, doch da drängte die Menge geballt vorwärts und drückte die Rankaner sowie das Mädchen, das sie schützen wollten, gegen die Wand.
    Tempus lenkte das Trospferd hindurch, ignorierte die Hiebe, die ihn trafen, und schwang seine Klinge ohne Mitleid. Das Töten ließ sein Gewissen unberührt, denn er hatte sie alle gewarnt; so gab er seiner Blutlust nach, und die Rebellen fielen reihenweise unter seiner Klinge, die der Kriegsgott in mehr Schlachten geweiht hatte, als Tempus sich erinnern wollte.
    Doch als die letzten des Mobs schließlich die Flucht ergriffen und niemand mehr an seinem Sattel zerrte, in sein Fußgelenk biß oder das Trospferd mit gespitzten Stöcken zu blenden oder ihm mit Brotmessern die Kniesehnen durchzuschneiden versuchte, wurde ihm bewußt, daß er zu spät gekommen war.
    O sicher, Walegrin, blutüberströmt und im Gesicht so übel zugerichtet, daß Tempus ihn nur an dem blonden Zopf und den Tränen erkennen konnte, die ungehindert aus seinen blaugeschlagenen Augen rannen, würde noch so manche Schlacht fechten können. Er war hinter den drei Soldaten gewesen, um Illyra – die Seherin, die das eigentlich hätte vorhersehen müssen – mit seinem Körper zu schützen. Aber von den drei Soldaten hatte es keiner überlebt.
    Doch nicht sie waren es, denen Tempus' Aufmerksamkeit galt, sondern der Frau, die sie zu beschützen versucht hatten und die wiederum ihr Kind hatte beschützen wollen. Illyra, deren S'danzoröcke schwer von Blut an ihr klebten, drückte die Leiche eines kleinen Mädchens an sich und weinte so lautlos, daß Tempus mehr aus Walegrins Trauer denn aus ihrer schloß, daß das Kind wirklich tot war.
    »Lillis«, schluchzte Walegrin und vergaß seinen männlichen Stolz, weil ein unschuldiges Kind, seine kleine Nichte, getötet worden war. »Lillis, ihr Götter, nein … Sie lebt, 'Lyra, sie lebt, glaub mir.«
    Doch selbst alle verzweifelten Wünsche würden seine Worte nicht wahr machen. Und die S'danzo – deren Augen weise und deren Gesicht müde über ihre Jahre hinaus waren, und deren Bauch heftig blutete – blickte den Befehlshaber an, der nun sein Mitleid nicht mehr beherrschen konnte.
    »Tempus, nicht wahr? Und Euer Wunderpferd?« Illyras Stimme hatte das Rauschen des Windes in sich, und ihre Augen waren trüb und voll des Hexenstaubs, der sich überall niederließ. »Soll ich Euch die Zukunft lesen, Blutlord, oder möchtet Ihr die Zeichen an der Wand lieber nicht gedeutet haben?«
    »Nein, meine Dame«, sagte er, ehe er über ihren Kopf auf die Schmierereien blickte, die mit Blut auf die Lehmziegel gekritzelt waren. »Erzählt mir keine Geschichten von Macht. Wenn Unheil abgewendet werden könnte, hättet Ihr jetzt ein lebendes Kind in den Armen.«
    Er wendete das Trospferd und ritt zurück zur Uferpromenade und zum Hafen, dabei zwang er sich, seine Gedanken zu sammeln und sich auf das bevorstehende Wiedersehen mit Theron vorzubereiten, und die Schrift an der Wand zu verdrängen: DIE PEST IST IN UNSERER SEELE, NICHT IN UNSERER BESTIMMUNG! ILSIGER AN DIE MACHT! TÖTET DIE HEXEN UND PRIESTER ODER VERRECKT!
    Er fand die Idee nicht schlecht, aber er konnte sich nicht mit den Rebellen verbrüdern: Er hatte um seiner Männer wegen Waffenruhe mit Magie geschlossen; er hatte um seiner Seele willen Waffenruhe mit den Göttern geschlossen.
    Aber die Wahl zu sterben gab es für Tempus nicht. Manchmal fragte er sich, ob es ihm gelänge, wenn er sich von Fischen fressen oder sich in winzige Stücke zerhacken ließe. Aber wahrscheinlich würden sich seine Teile doch nur wieder zusammenfügen oder, was noch schlimmer wäre, jeder einzelne zu einem vollständigen Menschen werden.
    Es war schlimm genug, als einzelner zu leben, aber unerträglich, wenn es unzählige seines Selbst gäbe.

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