Die Säulen des Feuers
Leuchten umgab nun das Abbild, das Ischade von ihrem Liebsten hatte entstehen lassen. Ein dämonisches Leuchten, wie ihr zu spät bewußt wurde – nachdem sie sich wieder der pulsierenden kobaltblauen Kugel zugewandt hatte. »Keine Schutzzauber!« hatte Roxane geschrien. Keine Schutzzauber, um Nikos Dämon in Schach zu halten! Er hatte bereits eine Seele, aber er könnte sich viele holen. Ihr Fuß stolperte auf den unebenen Bodenbrettern, aber Ischade ging auf ihn zu, als er sie zu sich winkte.
»Straton!«
Haught machte sich ganz klein und duckte sich unter die Tragebalken. Unbedeutend – wie er es immer gewesen war, ob nun als Tänzer oder als Sklave; die Beachtung von Hexen nicht wert und ganz sicher nicht die von Dämonen. Er sah das, was Roxane gewesen war, zwischen einer schrecklichen Leere und dem Dutzend oder mehr Toten schwanken, die sie im Lauf ihres Lebens dazu gemacht hatte. Er sah, wie Ischade entkommen wollte, aber unentrinnbar auf den Dämon zustolperte. Vor allem aber sah er die Kugel, die etwa in der Mitte zwischen Ischade und dem Dämon schwebte, reglos im Augenblick und unbeachtet.
Langsam und vorsichtig, um nicht doch noch von dem Dämon bemerkt zu werden, kauerte er sich zum Sprung. Es war unnötig, daß die Kugel durch diese Begegnung zerstört würde, dachte er, während er den Finger mit Ischades Ring rieb. Mit einem einzigen Sprung würde er über die Kugel hinweg die Stiege erreichen. Er war immer noch Tänzer, der Sprung bedeutete keine Anstrengung für ihn.
Er fing die schädelgroße Kugel mit den Fingerspitzen. Im Schwung des Sprunges schlug das leuchtende Artefakt gegen seine Brust, als er das Zentrum eines winzigen Universums zwang, von einer Existenz durch eine unendliche Zahl anderer zu wechseln. Es klebte an ihm, drang durch ihn, sog ihn auf, zerschmetterte ihn vollkommen und stieß ihn aus.
Ischade wurde durch die Kräfte der Vernichtung der Kugel gegen die Balken geworfen. In ihre volle Feuermagie gehüllt, gelang es ihr noch, die Stiege zu erreichen, als das Dach von den Flammen verschlungen wurde. Ihr Umhang brannte, ehe sie die Straße erreichte.
Ein Flammenturm loderte aus dem offenen Dach des Peres-Hauses dem Himmel entgegen. Der im Feuer gefangene Dämon kämpfte mit Sturmbringer, dessen Gestalt aus Gewitterwolken von jedem Blitz erhellt wurde, den er warf. Menschen liefen zusammen, Menschen, die sahen, wie Ischade versuchte, die Flammen im Haar und an den Gewändern auszudrücken, und die ihr nachriefen, als sie Straße hinunterrannte, während immer noch Flammen nach ihr leckten.
Molin Fackelhalter war einer der ersten, die auf das Palastdach rannten, um die Flammensäule besser sehen zu können. Er stemmte sich gegen den sandigen Wind und blickte an dem Licht vorbei auf die dunkle Wolke dahinter.
»Sturmbringer?«
Fast wäre er vom Dach gefallen, als sich eine Hand fest um seine Schulter schloß. »Nicht heute nacht«, sagte Tempus lachend.
Andere kamen die vielen Treppen hinauf und eilten zur Brüstung um die Kuppel der Gerichtshalle: Jihan und Randal, die sich aneinander stützten, und Niko dicht hinter ihnen; Isambard, der von den begeisterten Sturmkindern herbeigezerrt wurde; die Hofbeamten, Höflinge und Lakaien, fast alle barfuß und im Nachtgewand. Doch das war nicht nur im Palast so – überall in Freistatt sammelten sich staunende Sterbliche auf Dächern, Plätzen und Höfen, um sich dieses Schauspiel nicht entgehen zu lassen.
Helles Licht fiel in das Schlafgemach des Prinzen. Er wachte auf, seufzte bei dem Gedanken, daß das Beste immer viel zu kurz zu dauern schien, und wollte Shupansea nicht in ihrem Schlaf stören. Sein Herz wurde schwer, als er erkannte, daß er allein im Bett lag, und wurde auch nicht leichter, als er sie gebannt von der Lichtsäule am offenen Fenster stehen sah.
Eine Seidendecke hinter sich herziehend, ging er langsam zu ihr.
»Sie hat ihr Versprechen gehalten«, erklärte Shupansea. Sie zog eine Ecke der Decke um ihre Schultern und schmiegte sich an ihn. »Sturmbringer kämpft gegen den Dämon.«
Auf den ersten Blick sah es gar nicht wie ein Kampf zwischen Göttern und Dämonen aus, sondern wie eine riesige Wolke, die Blitze auf eine Flamme von unmöglicher Größe und Helligkeit schoß – aber das Bild als solches war unglaublich, so daß die Erklärung der Beysa so annehmbar wie jede andere war. Es stimmte, der Blitz schlug nur in die Flamme, und die Flamme spuckte Feuerspiralen auf die Wolke. Die Gewitterwolke mit
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