Die Saga vom Dunkelelf 2 - Im Reich der Spinne
lassen. Sei es ein Krieger oder ein Mitglied des Hauses Do'Urden, der Schuldige ist erfahren und abgehärtet gegen Qualen. Wir können nicht darauf hoffen, daß Folterung das Geständnis aus ihm herauslocken wird.
Nicht wenn er die Konsequenzen seines Handelns kennt. Wir müssen den Grund für das Mißbehagen der Lloth unmittelbar herausfinden und den Täter bestrafen. Die Spinnenkönigin muß uns im Kampf beistehen!«
»Wie sollen wir den Täter dann erkennen?« beschwerte sich die älteste Tochter und steckte die Schlangenpeitsche widerwillig an ihren Gürtel zurück.
»Vierna und Maya, laßt uns allein«, wies die Oberin Malice an. »Sagt niemandem etwas über diese Enthüllungen und tut nichts, was auf unsere Absicht hinweisen könnte.«
Die zwei jüngeren Töchter verneigten sich und eilten davon. Sie waren nicht glücklich mit ihren zweitrangigen Rollen, aber sie konnten nichts dagegen tun.
»Zuerst werden wir nachsehen«, sagte Malice zu Briza. »Wir werden sehen, ob wir von außerhalb etwas über den Schuldigen erfahren können.«
Briza verstand. »Die Kristallschale«, sagte sie. Sie eilte aus dem Vorraum in die eigentliche Kapelle. Sie fand den wertvollen Gegenstand im Mittelaltar, eine breite goldene Schale, die über und über mit schwarzen Perlen besetzt war. Mit zitternden Händen stellte Briza die Schale auf den Altar und griff in das heiligste der vielen Fächer. Es war der Ort für den höchsten Besitz des Hauses Do'Urden, einen großen Onyxkelch.
Dann trat Malice in der eigentlichen Kapelle zu Briza und nahm den Kelch von ihr entgegen. Auf dem Weg zu der breiten Eingangsfront des großen Raumes tauchte Malice den Kelch in eine klebrige Flüssigkeit, das unheilige Wasser ihrer Religion. Dann intonierte sie: »Spiderae aught icor ven.« Als das Ritual beendet war, ging Malice zurück zum Altar und goß das unheilige Wasser in die goldene Schale.
Sie und Briza setzten sich nieder, um sie zu beobachten.
Drizzt betrat nach mehr als einem Jahrzehnt den Flur zu Zaks Übungsraum und fühlte sich, als sei er nach Hause gekommen. Hier hatte er die besten Jahre seines Lebens verbracht -fast vollständig hier. Bei allen Enttäuschungen, die er seitdem erfahren hatte - und zweifellos sein ganzes Leben lang weiter erfahren würde -, würde Drizzt niemals das kurze Aufflackern der Unschuld vergessen, die Freude, die er als Schüler in Zaknafeins Übungsraum kennengelernt hatte.
Zaknafein trat ein, um seinem ehemaligen Schüler gegenüberzutreten. Drizzt sah nichts Bekanntes oder Beruhigendes im Gesicht des Waffenmeisters. Ein beständiges Stirnrunzeln ersetzte nun das einst übliche Lächeln. Es war ein ärgerlicher Ausdruck, der besagte, daß Zak alles um sich herum haßte und Drizzt vielleicht am meisten von allem. Oder hatte Zaknafein schon immer eine solche Grimasse zur Schau getragen? fragte sich Drizzt. Hatte die Nostalgie Drizzts Erinnerung jener Jahre des frühen Trainings fehlgedeutet? War dieser Mentor, der Drizzts Herz so oft mit einem Lachen erwärmt hatte, wirklich dieses kalte, lauernde Monster, das Drizzt nun vor sich sah? »Was hat sich verändert, Zaknafein«, fragte Drizzt laut, »Ihr, meine Erinnerungen oder meine Wahrnehmung?«
Zak schien die geflüsterte Frage noch nicht einmal zu hören. »Aha, der junge Held ist zurückgekehrt«, sagte er, »der Krieger mit den in seinem Alter unüblichen Heldentaten.«
»Warum verspottet Ihr mich?« protestierte Drizzt.
»Er, der die Sichelschrecken getötet hat«, fuhr Zak fort. Er hatte schon seine Schwerter in den Händen, und Drizzt hielt dem entgegen, indem er seine Krummsäbel zog. Es war nicht nötig, die Regeln der Verbindlichkeit oder auch die Wahl der Waffen in diesem Wettbewerb zu erfragen.
Drizzt wußte - hatte schon gewußt, bevor er hierhergekommen war -, daß es dieses Mal keine Regeln geben würde. Als Waffen würden ihre bevorzugten Waffen gewählt werden, diejenigen, die jeder von ihnen benutzt hatte, um so viele Gegner zu töten.
»Er, der das Erdenurwesen getötet hat«, fauchte Zak höhnisch. Er brachte einen wohlabgemessenen Angriff an, einen einfachen Stoß mit einer Klinge. Drizzt wehrte ihn ab, ohne auch nur über diese Bewegung nachzudenken.
Plötzlich auftauchende Feuer glühten in Zaks Augen, als ob der erste Kontakt alle emotionalen Bindungen, die seinen Stoß gemildert hatten, gelöst hätte. »Er, der ein Mädchen der Oberflächenelfen getötet hat!« rief er als Anklage und nicht als Kompliment. Jetzt kam der
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