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Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund

Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund

Titel: Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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war wohl kaum ratsam, so viel begriff sie. Ihr blieb nichts anderes übrig, als mit anzusehen, wie er litt.
    Seine Augen verfinsterten sich. »Wäre ich hart genug, dann würde ich sie
jetzt
töten. Bevor sie groß genug ist, um alles zu verstehen. Denn das sind Drachensamen, die der böse Tengel in uns gelegt hat. Drachensamen!«
    Genau in dem Moment war sein Gesicht unmenschlicher denn je. Doch zugleich waren auch die Augen trauriger und leidender, als sie es je gesehen hatte.
    »Nein, Ihr dürft sie nicht umbringen!«, rief Silje erschrocken.
    »Nein, natürlich nicht. Doch mein Herz blutet vor Verzweiflung bei dem Gedanken an ihre Zukunft. Ach, Silje, du ahnst ja gar nicht, was für ein Martyrium das ist, mit diesem Erbe belastet zu sein! Einige meiner Vorfahren haben es geliebt, waren stolz darauf, wurden böse Zauberer und Hexen. Sie haben sich darauf berufen,
sie
seien der Auserwählte, derjenige, der mehr kann, als die Welt je gesehen hat. Ich aber hasse diese Eigenschaften!«
    Er senkte die Stimme. »Und ich stehe fest zu meinem Gelöbnis, ich werde nie eine Frau anrühren. Mein Same soll nicht weitergegeben werden. Auch wenn womöglich Sol diesen besessenen Zweig der Familie fortführt. Wir können nur zum barmherzigen Gott beten, dass sie kein so böses Gemüt hat wie viele ihrer Vorfahren – die im Dienst des Gehörnten standen. Ich versuche die ganze Zeit, auf der richtigen Seite zu bleiben.«
    Mit einem Mal richtete er sich auf, so, als ob er in sich hineinhorchte.
    »Was ist?«
    »Erinnerst du dich daran, wie ich in euer Zimmer gekommen bin – als ich versuchen wollte, Sol vor der Pest zu retten?«
    »Ja. Ich erinnere mich, dass Ihr einen Augenblick gezögert habt. Ihr sagtet: »Aber...« und dann bracht Ihr ab.«
    »Genau. Ich hatte ein seltsames Gefühl, verstehst du. Dass ich sie nicht retten
dürfte.
Daher also dieses Gefühl. Sie ist eine von den Betroffenen. Das wusste ich damals nicht, es war jedoch so, als ob mir jemand sagte, dass ihr das Leben besser erspart bliebe. Nun ist nichts mehr daran zu ändern, dass sie lebt – ich werde mir jedenfalls nie eine Frau nehmen.«
    Silje saß still da und kämpfte mit den Tränen. Wie immer merkte er, dass sie traurig war. Doch diesmal war er irritiert, so wie er es mehr oder minder seit ihrer Ankunft gewesen war. Er stand wieder auf.
    »Es ist mir nie schwergefallen, Frauen aus dem Weg zu gehen«, fauchte er fast. »Erst als... Das Wasser kocht.«
    Zuerst begriff sie gar nicht, dass er von zwei verschiedenen Dingen sprach. Dann jedoch entdeckte sie, dass im Kessel das Wasser brodelte und dass es das wahrscheinlich bereits eine gute Weile getan hatte. Sie erhob sich und öffnete den Proviantkorb, während er Teller und Tassen holte.
    Sie war stolz darauf, ihm all das gute Essen vorsetzen zu können, und sie freute sich auch darüber, dass seine Augen ihren Bewegungen folgten. Wie herrlich, sich für all das Gute revanchieren zu können, das er für sie getan hatte!
    Doch gleichzeitig spürte sie, dass sein Gemüt sich wieder verdunkelte. Sie warf ihm einen fragenden Blick zu.
    »Ich hätte schon längst von hier fortgehen sollen«, sagte er jähzornig und warf ein Paar Holzlöffel auf den Tisch. »Ich begreife nicht, warum ich nicht schon längst weg bin.«
    »Ich bin froh, dass Ihr es nicht seid«, sagte Silje. »Die Gewissheit, dass Ihr hier seid, gibt mir Sicherheit. Ihr haltet Eure beschützende Hand über mich und die Kinder. Ihr seid nicht böse.«
    »Na, da ist ja dieses »Ihr« wieder«, murmelte er.
    »Entschuldigung, ich habe vergessen...«
    »Du sagst, ich sei nicht böse. Aber dennoch haben alle vor mir Angst.«
    »Ist es nicht gut, wenn einem Respekt entgegengebracht wird?« Sie versuchte ein Lachen, doch es blieb ihr im Hals stecken.
    »Sie glauben, ich sei ein dreihundert Jahre alter Geist, Silje! Und das Einzige, was ich bin, ist ein ganz gewöhnlicher lebendiger Mensch mit der gleichen Sehnsucht nach Gemeinschaft wie alle anderen auch – nur mit dem einen Unterschied, dass ich einige besondere Gaben besitze, um die ich nie gebeten habe.«
    Er traf in ihren Augen auf so viel Verständnis, dass er sich abwenden musste.
    »Aber all das mit den Kräutern – das hast du doch gelernt, nicht wahr?«, fragte sie.
    »Das bekommt das Eisvolk schon mit der Muttermilch. Von der ich übrigens nie etwas abbekommen habe. Wie können sie nur glauben, ich sei ein Gespenst? Ich bin beinah froh darüber, dass ich bei meiner Geburt den Tod meiner Mutter

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