Die Saga vom Eisvolk 01 - Der Zauberbund
den wir haben«, sagte Benedikt. »Und für den Schlitten liegt zu wenig Schnee. Aber ihr könnt die eine Stute haben. Lasst sie auf dem Hof unten an der Brücke stehen, der Knecht kann sie dort abholen.«
»Gut«, sagte Tengel.
»Aber wie wird es Euch ergehen, Herr Benedikt?«, fragte Silje besorgt. »Sie nehmen Euch doch wohl nicht dafür fest?«
»Aber nein.«
»Wohin wollen wir?«
Die beiden Männer sahen einander an. Lange.
Endlich brach Tengel das Schweigen. »Für Silje gibt es nur eine Richtung.«
»Ja«, sagte Benedikt und nickte zustimmend. »Ich bin einverstanden. Und ich traue mich nicht, die Kinder länger hierzubehalten, selbst wenn es uns vor Sehnsucht das Herz zerbricht. Ach, was weiß ich, was dieser Hexe Abelone und ihrem gefräßigen Jüngelchen noch einfällt. Ich übergebe die Kleinen in deine Hände, Tengel.«
Der Starke nickte kurz. Er nahm die unhandliche Fensterscheibe auf sein Pferd. Beide Tiere wurden schwer bepackt, und tatsächlich konnten sie alles unterbringen! Es grenzte nahezu an ein Wunder.
Es kam zu einem schnellen und herzzerreißenden Abschied. Silje umarmte alle der Reihe nach und dankte ihnen herzlich für die wunderbare Zeit. Grete hielt Dag fest, als wolle sie ihn nie wieder loslassen, doch dann besann sie sich und reichte ihn Tengel. Marie stand bei Siljes Pferd und bat Sol, sie nicht zu vergessen, und sagte noch, dass sie alle zu Besuch kommen sollten. Dann war es Zeit für den Aufbruch. Sie mussten schnell reiten, denn die Landsknechte würden mit Sicherheit hinter ihnen herjagen. Jede Sekunde war kostbar.
Silje war dankbar, dass Tengel den Kleinsten genommen hatte. Sie war das Reiten nicht sonderlich gewohnt, und da wäre es nicht so einfach gewesen, obendrein auch noch Dag zu halten. Einen Damensattel konnten sie nicht auftreiben, sodass Silje rittlings auf dem Pferd sitzen musste. Grete und Marie hatten sich beeilt, ihr den Umhang über die Knie zu ziehen, und Tengel hatte sich währenddessen diskret umgedreht. Silje glaubte zu sehen, wie er die Mundwinkel verzog dieser Schuft!
Auf der Landstraße warfen sie ängstlich einen Blick nach Norden, doch Landsknechte waren nicht in Sicht. Das war beruhigend.
Abschied von den freundlichen Menschen zu nehmen, war Silje sehr schwergefallen, und noch immer musste sie ab und zu eine Träne abwischen. Doch bald forderte die Situation alles von ihr.
Das Dorf wirkte wie ausgestorben, als sie die Hauptstraße in Richtung Süden entlangritten. Nur der Rauch, der in den Wintertag hinaufstieg, bezeugte, dass sich auf den Höfen Menschen aufhielten. Silje jedoch wusste es besser. Sie wusste, dass die Augen der Nachbarn über alle Fremden wachten, die des Weges kamen, das hatte sie schmerzlich erfahren müssen.
Tengel war ungeduldig und versuchte, sie zur Eile anzutreiben. Silje und die alte Stute taten, was sie konnten. Aber es ging ihm nicht schnell genug.
»Wir haben nur wenig Vorsprung«, rief er ihr zu.
»Und die Landsknechte reiten schnell, wenn sie erst einmal auf einem Pferderücken sitzen.«
Silje bekam fast Krämpfe in den Armen. Sie musste Sol festhalten, das Pferd lenken und selbst im Sattel bleiben. Sie musste den Anstand fahren lassen – der Umhang war schon längst von ihren unbedeckten Knien geflattert. Am besten, sie vergaß das Ganze und ließ Tengel denken, was er wollte.
Sol hingegen schienen die Anspannung und der wilde Ritt zu gefallen. Sie saß mit leuchtenden Augen und einem Lächeln auf den Lippen vor Silje. Silje fiel auf, dass Tengel sie oft anschaute, und sein Blick war sowohl voller Zärtlichkeit als auch voller Sorge.
Er ist ein guter Mann, dachte sie. Egal, was andere über ihn sagen und wie sie ihn nennen, ungeachtet seines schrecklichen Aussehens ist er in seinem tiefsten Inneren in jedem Fall ein guter Mensch.
Doch eigentlich sah er aus wie ein Dämon aus der Unterwelt, so wie er vor ihr dahinjagte. Ein stattlicher, anziehender und faszinierender Dämon. Wenn es so einen gab.
Schon lange hatte sie eingesehen, dass sie wegen Sols seltsamen Verhaltens gegenüber Abelones Sohn allzu heftig reagiert hatte. Er hatte übrigens ebenso überreagiert. Es war nur folgerichtig, dass Sol ihn nicht ausstehen konnte, und dann konnten ihre Augen wirklich leuchten. Er war wohl etwas erschrocken über den Hass in ihren Augen – und da hatte er beim Schneiden nicht genug Acht gegeben. So leicht konnte man die Schuld auf andere schieben!
So einfach war das. Ihre Hysterie war vollkommen
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