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Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund

Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund

Titel: Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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zu tun vornahm, bereitete ihr ein nur noch schlechteres Gewissen. Durfte sie das tun? War dies oder jenes einer Ehefrau gestattet? Wie sollte sie das nur je lernen können, sie, die erzogen worden war, dort mit anzupacken, wo sie gebraucht wurde - in einer Atmosphäre von Liebe und Umsicht für andere. Die dazu erzogen worden war, stets ans Wohlergehen anderer zu denken, dafür zu sorgen, daß sie das machen durfte, wobei sie sich wohl fühlte, das, was sie glücklich machte. Hier bekam sie Schelte, wenn sie an der falschen Stelle mit anpackte - und wenn sie nicht an der richtigen Stelle mit anpackte. Aber wo war die richtige Stelle? Und was war die falsche? Das schien sich jeden Tag zu ändern.
    Wie es wohl der Familie auf Lindenallee ging?
    Dort regnete es jetzt sicherlich auch. Dann tropfte es immer von den Linden, und die Allee hinunter rann ein kleiner Bach, und auf dem Hof bildete sich ein See, genau dort, wo man die Treppe hinunterging. Vater hatte in all den Jahren vorgehabt, etwas dagegen zu unternehmen, doch wenn der Regen aufgehört hatte, vergaß er es gleich wieder. Are würde wohl jetzt derjenige sein, der für die Entwässerung vor der Treppe sorgte.
    Die anderen Geschwister waren in Dänemark und kehrten wohl bald nach Hause zurück. Sie jedoch würde nicht nach Hause fahren. Sie hatte Lindenallee und Grästensholm für alle Zeiten verlassen, und Laurents wies ihren Vorschlag, sie zu besuchen, stets damit ab, daß er gerade im Augenblick keine Zeit habe. »Und du sollst dich nicht zu oft dort aufhalten«, pflegte er zu sagen. »Diese sonderbaren Menschen! Charlotte von Meiden ist doch für ihren Stand ein Schandfleck, so radikal wie sie ist. Und obendrein auch noch eine ledige Mutter.«
    Liv wußte, daß Laurents Charlotte zur Strafe gern am Pranger gesehen hätte, so wie es mit allen ledigen Müttern gemacht wurde. Und alle, sogar der Kindsvater, hatten das Recht, sie zu bespucken oder Steine nach ihnen zu werfen. Dem war Charlotte entronnen, und das gefiel Laurents ganz und gar nicht. Solche Nachlässigkeit trug zum allgemeinen Verfall bei.
    Liv konnte sich die liebenswerte, freundliche Charlotte nicht am Pranger vorstellen. Natürlich wußte Laurents nichts davon, daß der kleine Dag einmal zum Sterben im Wald ausgesetzt worden war - das konnte und wollte Liv ihrem Mann nicht erzählen.
    »Ja, dein Vater verdient ja gutes Geld, so daß ich ihn akzeptieren kann«, fuhr Laurents fort, wenn er von ihrer Familie sprach. Doch immer schwang ein verächtlicher Unterton mit. »Aber sonst ist er reichlich merkwürdig, das mußt du doch zugeben! Und gutaussehend ist er, Gott erbarme mich, auch nicht gerade!«
    Liv hatte ihren Vater immer als das Schönste auf der Weh angesehen. Niemand hatte so liebevolle Augen wie er. »Dein Bruder Are ist auch ganz brauchbar. Er redet wenigstens so, daß man ihn verstehen kann, auch wenn er nur ein Bauer ist. Aber auch deine Mutter ist viel zu radikal, findest du nicht? Geht barhäuptig, als würde sie in Sünde mit deinem Vater leben! Von ihr hast du all die Schludrigkeit im Haushalt geerbt, ist es nicht so? Und diese törichten Grillen, Bilder zu malenl«
    Niemals im Leben hätte Liv gewagt zu verraten, daß sich hinter Silje Meister Arngrim verbarg, den Laurents so sehr bewunderte, daß er sich eine Tapete von ihm wünschte. Die bekam er nicht, da Meister Arngrim allzu viele Bestellungen hatte. Und Schludrigkeit im Haushalt? Liv begriff seinen Vorwurf nicht. Zu Hause sagten sie immer, daß sie die perfekte Hausfrau sei, im Gegensatz zu Silje. Hier jedoch hatte sie ganz andere Pflichten zu erfüllen. Hier sollte sie schalten und walten, der Dienerschaft Befehle geben und zur Stelle sein, wenn Laurents oder seine Mutter einer Handreichung bedurften.
    Liv mochte die Bediensteten nicht herumkommandieren. Zu Hause pflegten sie mit ihnen einen freundlichen Umgangston, und übernahmen selbst einen Teil der Hausarbeit, wenn es nötig war. Hier war alles so schwierig! Sie wußte, daß Laurents in Bezug auf Sol sonderbar verunsichert war. Er war von ihrem Wesen bezaubert, doch zugleich durch ihre Persönlichkeit und Sicherheit abgeschreckt. Und durch ihr mangelndes Interesse oder Bewunderung für seine Person. Er hatte über Sol viele häßliche Dinge gesagt, wenn sie nicht anwesend war. Laurents war Dag nie begegnet. Liv lauerte schon darauf, welche Fehler er wohl an ihm entdecken würde. Waren denn alle in ihrer Familie so unerträglich? Wenn ja, dann wäre sie betrübt

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