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Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund

Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund

Titel: Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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schöpfen.
    Sol jedoch stammte vom Eisvolk ab. Wehe dem, der in der Zeit zurückschaute!
    Hätte sie gewußt, was das Gebräu zu Tage fördern würde, dann hätte sie sich womöglich geweigert, sich seiner Wirkung auszusetzen. Oder vielleicht hätte sie es auch nicht getan, sie wäre wahrscheinlich zu neugierig gewesen. Sie fühlte sich angeekelt, wie gelähmt. Instinktiv wich sie, zurück, doch die fürchterliche Gestalt kam immer näher. Dicht an sie heran.
    Es konnte niemand anders sein als der böse Geist des Eisvolkes höchstpersönlich.
    Weder Mensch noch Tier war er, Tengel der Böse, nur ein Untier. Einmal war er vielleicht ein Mensch gewesen, aber das war jetzt schwer vorstellbar. Er war gedrungen, kurzgewachsen, viel kleiner als Sol. Der Kopf war flach, die Ohren waren gleicham eins mit dem Schädel. Die Augen blickten tückisch niederträchtig, die Nase war widerwärtig geformt wie ein Schnabel, der Mund öffnete sich zu einem Raubtiergrinsen, so daß sie seine kurzen, spitzen Zähne sehen konnte. Ein weiter Umhang verbarg den kurzen Körper, und dafür war Sol dankbar. Nur seine eine Hand ragte ein wenig hervor, und die war lang und knöchern wie eine Klaue. Das Schlimmste jedoch war die Bosheit, die ihn wie ein Dunst umgab. Sol zweifelte nicht eine Sekunde daran, daß diese Gestalt sich an den Teufel verkauft hatte. So konnte kein Mensch von Gestalt beschaffen sein, hier mußte es unter der Einwirkung des irrsten Abgrundes vor sich gegangen sein! Sie wollte aus der Trance erwachen, fort von diesem Monster. Was wollte er von ihr? Warum starrte er sie so haßerfüllt ,an? Wollte er ihr etwas sagen?
    Mit einem Mal tauchte es aus ihrer Erinnerung auf. Sie hatte ihn früher schon einmal gesehen!
    Das war schon lange her. Aber wo?
    Deshalb haßt er mich, dachte sie verwirrt. Er hatte Angst. Angst vor ihr. Aber warum? Wenn sie sich doch nur erinnern könnte!
    Sie schrie und schrie, bat ihn, zu verschwinden, aber er blieb. Weiter zurück in der Zeit gelangte sie offenbar nicht. Denn sie sollte wohl nur Gestalten aus dem Eisvolk zu Gesicht bekommen. Und die Geschichte des Eisvolkes begann mit Tengel dem Bösen. Alles davor war für immer verschwunden.
    Sol wand sich im Gras wie eine Schlange. Sie gehörte gewiß nicht zu der Sorte Menschen, denen man leicht einen Schrecken einjagen konnte, doch dies war zu abscheulich. Dem Mann und der kranken Frau war es unter gewaltiger Willensanstrengung gelungen, zu ihr hinzukriechen. Sie waren nur halb bei Bewußtsein, und Sols halberstickten Schreie übertönten ihre Rufe. »Vater!« schrie sie. »Vater! Vater!«
    Zu Hause auf Lindenallee fuhr Tengel aus einem Traum auf.
    »Sol«, flüsterte er.
    Silje setzte sich auf.
    »Sol ist in Schwierigkeiten«, sagte er erschrocken. »Sie braucht meine Hilfe.«
    »Wie denn?«
    »Ich weiß nicht. Das ist noch nie vorgekommen. Ich wußte nicht, daß sie das vermag. Auch nicht, daß ich eine solche Botschaft empfangen kann. Oh, mein Gott, was soll ich machen Sol… Sol!« flüsterte er.
    »Ist sie in Lebensgefahr?« fragte Silje erschrocken. »Nein, nein, es fühlt sich nicht so an. Es ist etwas anderes Ich muß versuchen, mit ihr Kontakt aufzunehmen.« Silje legte die Hand auf seinen Arm. »Gib ihr auch etwas von meiner Liebe!«
    »Das werde ich tun«, sagte er warmherzig. »Lieg ganz still, dann werde ich es versuchen… weiß nicht, ob es mir gelingt« Silje bewegte nicht einen Muskel. Sie lag neben Tengel und schaute ihn an, wie er mit angezogenen Beinen und dem Gesicht auf den Knien im Bett saß. Ihre Hand ruhte noch immer auf seinem Arm.
    Zeit verging. Silje versuchte in ihrer praktischen Unzulänglichkeit, intensiv an Sol zu denken, mit all ihrer Liebe. Silji besaß eine bodenlose Quelle, aus der sie Liebe schöpfte, was zumindest ein bißchen helfen würde, dachte sie.
    Sie bemerkte, daß Tengel von der gewaltigen Gedankenkonzentration schweißnaß wurde. Einmal erschauerte er heftig, erklärte aber nicht, wovor.
    Silje hatte den Eindruck, eine Ewigkeit in ihrer angsterfüllten Anspannung verharrt gewesen zu sein, als er endlich den Kopf hob und sich den Schweiß von der Stirn wischte. »Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen, Silje«, sagte er matt. »Gerade Liebe hat sie gebraucht«, fügte er erklärend hinzu. »Was war denn los?«
    »Ich bin mir nicht sicher. Mein Gott, ich weiß nicht, was ihr zugestoßen ist. Es war nichts Weltliches, nichts Irdisches, verstehst du. Eine Angst so groß, daß man sie gar nicht beschreiben

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