Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund
er hat die besten Verbindungen zu den Waldbesitzern. Sie beten ihn schon an. Das einzige Negative ist, daß der König einen so unverschämt großen Anteil am Holz haben will - gratis.«
Das stimmte, doch gleichwohl stand dem König nur ein Bruchteil von dem zu, was Laurents Berenius behauptet hatte. Er mußte einen haarsträubend großen Anteil in die eigene Tasche gewirtschaftet haben.
»Liv!« rief Silje aufgebracht, »erdreiste dich nicht, herabsetzend von Seiner Majestät zu sprechen!«
»Nein, aber was hat er denn getan, um all das Holz zu verdienen?«
»Liv, der König ist unantastbar!«
Sol brach in Gelächter aus. »Dann hättest du mal deine geliebte Majestät auf dem Fest sehen sollen, auf dem ich war, Silje, - auf dem Schloß in Kopenhagen! Den schlaffen, fetten Kadaver, den sie hinausgetragen haben, sturzbetrunken, wie er war! Es brauchte sechs Mann, um ihn hochzuheben, und er lallte nur noch unzusammenhängendes Zeug. Man sagt, daß Christian IV. im Trinken nur von seinem toten Vater Fredrik II. übertroffen wurde. Aber das muß man zu Christians Verteidigung sagen, sein Gehirn ist am Tag danach blitzgescheit. Und niemand kann sich über die Weise beklagen, in der er das Reich regiert. Aber das mit dem Zehnten vom Holz der Bauern kann er sich ersparen. Und die Steuer auf das, was Liv verkauft. In diesem Jahr hat er neue Zollsätze eingeführt, und er ist bestimmt der Letzte, der dabei verliert!«
Silje saß da und starrte sie mit einem Blick an, der verriet, daß sie all ihre Illusionen verlor.
»Das hättest du nicht zu erzählen brauchen, Sol«, sagte Tengel. »Die gute Silje hat ein rührendes Zutrauen zur Königsmacht. Wir haben versucht, euch eine andere Erziehung angedeihen zu lassen, wir wollten, daß ihr Menschen werdet, die selbst nachdenken. Aber das bedeutet auch, daß ihr andere Meinungen respektiert! Hast du verstanden, Sol?« »Ja. Entschuldigung.«
Tengel nickte. »König Christian ist gut. Der beste DänenKönig, den wir gehabt haben, und er interessiert sich wirklich für Norwegen. Das tat sein Vater nicht.« Bei seinen Worten strahlte Silje wieder.
»Da ist eine andere Sache, die mir Sorgen macht«, sagte Are. »Einige Leute sehen es gar nicht gern, daß wir mit Dänen Umgang pflegen.«
»Du willst damit sagen, daß wir Umgang mit Charlotte pflegen?« sagte Tengel. »Das können unmöglich viele sein.« »Davon habe ich nichts gehört«, sagte Sol. »Ich auch nicht« sagte Liv.
»Ich schon«, sagte Silje. »Aber es sind wie gesagt nur wenige. Charlotte ist eine einsame Frau, und nur Fanatiker können so denken.«
»Tante Charlotte ist doch sehr beliebt«, sagte Liv. »Dag ist sehr stolz auf sie.«
»Die allermeisten haben akzeptiert, daß Dänen im Land sind«, sagte Tengel. »Aber es gibt ein paar Rebellen, und ich empfinde auch für sie Sympathie. Norwegen war einmal eine Großmacht, bevor es unter dänische Herrschaft geriet. Einmal wird es zum ernsthaften Bruch kommen. Aber das wird wohl kaum zu Christians Zeiten geschehen.« »Wie stehst du selbst zu der Sache?« fragte Sol.
»Natürlich wünsche ich mir ein freies Norwegen, das tun wir wohl alle«, antwortete Tengel. »Aber Charlotte ist unsere beste Freundin, und ich habe nicht vor, ihr aus diesem Grund den Rücken zuzukehren. Nein, die allermeisten hier in der Gegend haben selbst Kontakt zu Dänen. Kümmere dich nicht um Ausnahmefälle, Are.«
»Nein, es waren nur ein paar junge Burschen.« Tengel nickte. »Zukünftige Rebellen. Da können wir uns nicht einmischen. Schon wegen Sol müssen wir vermeiden, Aufsehen zu erregen.«
»Meinetwegen? Ich komme doch gut zurecht.« Tengel sah skeptisch aus. »Du mußt sehr vorsichtig sein, Sol! Ein kleiner Fehltritt kann Unglück über uns alle bringen, und vor allem über dich.«
»Bin ich vielleicht nicht brav gewesen wie ein Lamm?« »Doch, das stimmt. Aber ich kenne die Zeichen. Du bist wieder rastlos. Und heute hast du wieder Magie eingesetzt. Bei der Schuhmachersfrau, die auf wundersame Weise gesund wurde. Das darfst du nicht, Sol! Halte dich an die Kräuter!« Sol nickte leicht und versprach, ein Engel zu sein.
Mit den Armen unter dem Kopf lag Sol im Bett und starrt an die Decke. Livs Atemzüge verrieten, daß sie schlief. Es war an der Zeit, daß sie sich Gedanken um Jacob Skille machte. Er wohnte noch immer auf Grästensholm, und in ein paar Tagen würde er abreisen. Zum Glück hatte er sich auf Lindenallee seit einer Woche nicht blicken lassen. Er war sicher
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