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Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund

Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund

Titel: Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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die sie bei ihrer Gefangennahme bei sich gehabt hatte.
    Lindenallee! Das gab ihr einen Stich. Warum hatte sie dort nie zur Ruhe kommen können? Was steckte in ihr, das sie immer weiter, ständig weiter trieb? Und nun würde sie nie mehr dort wohnen können. Sie hatte dazu kein Recht mehr, ihre Familie mußte unbehelligt bleiben.
    Sie zog und zerrte an dem »Schlitten«, um ihn hinunter zu bugsieren, ohne daß Klaus dabei zu Schaden kam, sie stemmte ihre Füße gegen die Erde, rutschte lange Strecken auf den Absätzen und fluchte über Bäume und Steine, die ihr in die Quere kamen.
    An einem kritischen Punkt jedoch ging es schief. Die Bank kippte um, und Klaus fiel heraus. Er blieb mit dem Gesicht im Schnee liegen.
    »Kannst du nicht an deinem Platz liegen bleiben, du verdammter, ungeschickter Idiot«, murmelte sie und riß und zerrte an seinen Armen und Beinen, um ihn wieder auf die Bank zu schaffen. »So, lieg jetzt still, du Tolpatsch…« Die Fahrt ging weiter. Manchmal nur einen Zoll, manchmal so schnell, daß Sol kaum Schritt halten konnte. Auf dem Gipfel des Steilhanges setzte sie sich mit Klaus in den Armen auf die Bank. Der Schnee wirbelte ihr ins Gesicht, aber sonderlich gut ging es nicht. Sie landeten im Schnee, alle beide, und die anstrengende Arbeit begann von vorn. Klaus war die ganze Zeit bewußtlos - vielleicht tot. Ein makabrer Leichenzug, der ihm da beschert wird, dachte sie bissig, während sie ihn abermals an seinen Platz zog. Den Pfad hatte sie schon längst verloren, nun ging es grob gesehen gerade nach unten.
    Und dann stand sie vor dem Unumgänglichen - einem riesigen Baumstumpf.
    Selbst hätte sie ihn noch überwinden können, indem sie von Baumwurzel zu Baumwurzel geklettert wäre. Aber mit einem Schlitten?
    Sol stand lange verzweifelt davor.
    Dann ließ sie es auf Biegen oder Brechen ankommen. »Hinunter kommt er auf alle Fälle«, murmelte sie leise vor sich hin Sie gab der Bank einen leichten Schubs, so daß sie über den Schnee und das Eis glitt.
    Solange sie sich aufrecht hielt, könnte es vielleicht gehen, dachte sie. Dreht sie sich aber zur Seite…
    Die Bank raste hinunter. Ohne daß sie wußte wie, stand Sol mit geballten Fäusten und zusammengebissenen Zähnen da. Bleib auf deinem Platz liegen! flehte sie. Bleib auf deinem Platz liegen, sonst rollst du direkt in den Schnee, und da kriege ich dich vielleicht nicht mehr zu fassen.
    Er fiel hinaus. Doch da war er bereits unten auf etwas ebenerer Erde, und dorthin konnte sie gelangen. Die Bank rutschte noch ein Stück weiter, bis sie von einem Baum aufgehalten wurde.
    »Hurra!« rief Sol oben auf dem steilen Anhang und riß im Triumph die Arme hoch. »Runter sind wir gekommen, Klaus! Wenn auch nicht so elegant!«
    In der Abenddämmerung quälte sie sich durch ein Tal, unterwegs zu ihrem Elternhaus, das sie so lange nicht gesehen hatte. Doch vor Einbruch der Nacht würde sie dort nicht ankommen, und es sah so aus, als würde es sehr kalt werden.
    Sie hatte ein Seil mitgenommen, um den Schlitten zu ziehen. Es war jedoch alt und verschlissen und riß oft. Nun war es durch das häufige Zusammenknoten mittlerweile äußerst kurz und bestand größtenteils aus Knoten.
    Mitunter trat sie hinter den Schlitten und schob ihn. Sie war mehr als erschöpft. Und dazu kam, daß sie seit Tagen nichts mehr gegessen hatte.
    Klaus hatte sich überhaupt nicht gerührt. Sie hatte ihn so gut eingepackt, daß sie sein Gesicht nicht sehen konnte. Sie wollte es auch gar nicht sehen. Sol richtete sich auf. Sie wußte, wo sie war.
    Lange blieb sie stehen. Wenn sie überleben wollten, dann mußten sie irgendwo einen Unterschlupf finden - schnell. Aber Wer würde sie bei sich aufnehmen? Wie weit hatte sich der Ruf der »Hexe mit den gelben Augen« inzwischen ausgebreitet?
    Sie könnten geradewegs in ihr Unglück laufen.
    Ihre Augen funkelten. Einen gab es, der ihnen Nachtasyl gewähren und der sie nicht verraten würde.
    Oder würde er es doch tun? Sollte sie es wagen? Würde es bedeuten, daß sie sich direkt in die Höhle des Löwen begaben?
    Sol erschauerte heftig. Sie wußte, wo er wohnte, der Mann, mit dem niemand sprach, der Mann, dem alle auswichen, er, der keine Freunde hatte.
    Bis dort hin war es nicht weit.
    Er war eines Abends nach Lindenallee gekommen. Hatte sich im Schatten gehalten, bis alle von Tengels Patienten ihre Arznei erhalten und den Hof wieder verlassen hatten.
    Da war er hervorgekommen. Finster und schrecklich anzusehen unter seiner

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