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Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund

Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund

Titel: Die Saga vom Eisvolk 03 - Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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Bald würde die Rastlosigkeit sie wieder antreiben. Im Grunde genommen war sie fertig mit Klaus. Er hatte ihr nichts mehr zu geben. Doch eine Art Zärtlichkeit für ihn hielt sie zurück.
    Da gab es auch noch eine andere Schwierigkeit. Das erste Mal als sie Klaus nackt gesehen hatte, war sie entsetzt gewesen. Wie viele Schläge und Hiebe mußte der Bursche abbekommen haben! Aber am allerschlimmsten war eine häßliche, nässende Wunde, die er am Oberschenkel hatte. Die Haut darum herum war rot und geschwollen. Er berichtete ihr, daß die Wunde von einem Peitschenschlag stammte. Er hatte sich auf die erniedrigendste Weise ausziehen und seine Strafe entgegennehmen müssen, weil er einem kranken Pferd zuviel Futter gegeben hatte. Daß das Pferd von all dem Futter wieder gesund geworden war, spielte keine Rolle. Es sollte gespart werden!
    Sol behandelte seine Wunde nach besten Vermögen. Doch die Entzündung saß tief und näßte die ganze Zeit abscheulich.
    Und Sols Arzneivorrat, das wenige, was sie bei sich gehabt hatte, war schnell verbraucht.
    Eine Tages konnte Klaus nicht mehr aufstehen. Er glühte vor Fieber, und das Bein war derart geschwollen, daß er es nicht beugen konnte.
    Sol verabreichte ihm ein wahres Hexengebräu aus so gut wie allen Kräutern, die sie hatte. Das half für eine Zeit, aber nicht auf Dauer.
    Und dann kam der Schnee.
    Als sie eines Morgens hinausschaute, war der Hügel so weiß, daß sie ganz blind davon wurde. Die Nahrungsmittel waren zwei Tage zuvor zur Neige gegangen. Sie hatte daran gedacht, Klaus für einige Stunden allein zu lassen, um in dem kleinen Waldsee zu fischen, doch das Vorhaben mußte sie aufgeben. Klaus war fast bewußtlos.
    Sol stand neben dem Bett und schaute ihn an, lange und nachdenklich.
    Sie hatte Mittel dabei, um seinem Leiden und seinem armseligen Leben ein Ende zu setzen. Er bedeutete ihr nichts mehr, war nie etwas anderes als ein Gespiele im Bett gewesen.
    Und nicht einmal dort bedeutete er ihr besonders viel, weil es nur einen gab, der ihre Lustgefühle wirklich wecken konnte …
    Klaus aber war eine Zeitlang unterhaltsam gewesen. Er war auf eine primitive Weise wild, kräftig gebaut - und er liebte sie. Das hatte Sol zunächst gereicht.
    Und er war eine wehrlose, unschuldige Seele auf dieser unbarmherzigen Welt.
    Sie hob den Kopf und schaute sich in der Stube um, die aus nichts weiter bestand als aus vier Wänden und einem Dach. Der Mann aus dem Wirtshaus? Warum kam er nicht? Nein, er konnte schließlich nicht wissen, daß sie sich hier draußen in der Wildnis aufhielt. Womöglich wartete er ungeduldig an einer anderen Stelle auf sie.
    Auf der anderen Seite jedoch, wenn er der Fürst des Abgrundes war, der heraufgekommen war, um sie zu besuchen, dann mußte er doch wissen, wo sie steckte! Das war doch selbstverständlich! Warum kam er dann nicht?
    Sols Augen bekamen einen gejagten Ausdruck. Was machte sie hier mit dem erbärmlichen Klaus? Warum war sie nicht draußen in der Welt? Sie nahm den kleinen Lederbeutel mit Kräutern zur Hand und schaute lange und gedankenvoll erst ihn und dann den jammernden Mann an.
    Kurz darauf war sie auf dem Weg den Abhang hinunter, zurück in die Welt der Menschen.
    Doch sie war nicht allein. Der Pfad führte steil nach unten. Die wenigen Bäume krallten sich mit klauengleichen Wurzeln am Abhang fest. In Ermangelung eines Schlittens hatte Sol eine breite Bank umgedreht und Klaus zwischen die beiden Seiten darauf gelegt Nun zog sie die Bank mit der leblosen Gestalt zum Steilhang hin.
    Sie hatte ihm nichts gegeben, um seinen Tod zu beschleunigen. Das war nicht notwendig. Es würde wohl ohnehin darauf hinauslaufen. Doch sie wollte ihn nicht da oben liegen lassen Selbst wenn das sein Leichenzug werden sollte, dann sollte er wenigstens ein christliches Begräbnis bekommen. Sie wußte, daß er in seinem Glauben an Gott stark gewesen war.
    Noch aber war sie sich nicht sicher, ob dies ein Trauerzug war oder nicht.
    Er sah so entsetzlich aus. Die Vergiftung hatte sich im gesamten Körper ausgebreitet. Doch sein Gesicht war glatt und makellos. Der etwas dümmliche und schafartige Ausdruck hatte nunmehr etwas nahezu Engelhaftes angenommen. Sol fiel ein Zitat aus der Bibel ein.
Selig sind die Armen im Geiste, denn sie werden Gott schauen.
Oder so etwas in dem Stil. Bibelzitate waren nicht ihre Stärke.
    Sie hatte einen Wunsch - mit Klaus bei Tengel einzutreffen, bevor es zu spät war. Denn Tengel hatte wirkungsvollere Arzneien, als diejenigen,

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