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Die Saga vom Eisvolk 04 - Sehnsucht

Die Saga vom Eisvolk 04 - Sehnsucht

Titel: Die Saga vom Eisvolk 04 - Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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nennen?«
    Er zögerte lange. Dann sagte er: »Aber gern. Wenn es sonst niemand hört.«
    Cecilie lächelte schief. Sie hatte ihr inneres Gleichgewicht wiedergefunden. »Aha, der Wachhund liegt also auf der Lauer?« »Fräulein Cecilie, ich bitte Euch…« »Nur Cecilie! Du bist ein guter Freund der Familie.« »Vielen Dank. Cecilie, ich bitte dich, spotte nicht über Julie! Sie ist so rein und anständig. Sie steht so hoch über mir armem, elendigen Menschen.« »Sind das ihre Worte?« »Nicht, bitte!«
    Er schlug die Hände vors Gesicht und wimmerte. Cecilie saß eine Weile ganz still, dann streckte sie ihre Hand aus und wollte vorsichtig seine eine Hand vom Gesicht ziehen. Aber er weigerte sich.
    »Ich weiß schon seit langem, daß du Probleme hast, Martin«, sagte sie weich. »Mein Bruder Tarald und Yrja wissen es auch. Möchtest du nicht darüber sprechen? Weißt du, mir geht es im Moment auch nicht besonders gut, und ich versuche, wieder ein Mensch zu werden nach dem Schock, den ich erlitten habe. Die Menschen sind nicht immer die, für die man sie hält.«
    Ihr freundlicher Ton riß die hohe Mauer nieder, die er um sich herum aufgebaut hatte. Er nahm die Hände fort, und sein vergrämtes Gesicht, das so voller Gewissensqualen und Selbstanklagen war, sagte ihr, daß sie auf der richtigen Spur war. Sie versuchte ihm den Anfang leicht zu machen. »Also unsere Pastorin ist perfekt. Das sagen alle.«
    »Ja«, sagte er bitter. »Das sagen alle. Und sie ist es! Nur ich bin schwach und unwürdig.«
    »Das glaube ich nicht«, sagte Cecilie mild. »Möglicherweise ist sie perfekt für die Gemeinde. Aber nicht für dich.« Martin lehnte den Nacken an die Wand und schloß die Augen, als ob sein ganzer Körper in den Schlaf sinken wollte. Der Verletzte war immer noch bewußtlos, aber seine Gesichtsfarbe war rosig, genauso, wie sie nach Tarjeis Angaben sein sollte.
    »Es ist nicht richtig, es so auszudrücken«, sagte Martin müde. »Der Fehler liegt bei mir und meinen fleischlichen, sündigen Gelüsten.«
    »Du lieber Himmel«, sagte sie schockiert. »Was ist denn das für ein Ausdruck? Hört sich genauso an, als käme er von deiner Frau - obwohl ich sie noch nie gesehen oder mit ihr gesprochen habe.«
    Plötzlich sah sie zwei dicke Tränen über die Wangen des Pastors rollen.
    »Cecilie, ich kann nicht mehr! Ich habe die Traumprinzessin meiner Kindheit geheiratet, einen kleinen Engel. So tugendhaft, so gottesfürchtig, so schön! Und genau das ist sie, Cecilie! Verglichen mit ihr bin ich ein plumpes, dummes Walroß!«
    »Ich glaube, du meinst etwas ganz anderes, Martin«, sagte CeIcilie nachdenklich. »Tief in deinem Innern meinst du - obwohl du es dir niemals eingestehen würdest -, daß sie gottesfürchtig, tugendhaft und schön ist - aber mehr auch nicht!«
    Er kroch in sich zusammen, als hätte sie mit einem Messer auf ihn eingestochen.
    »Wenn du nur nicht so einen scharfen Verstand hättest, Cecilie! Du durchbohrst meine arme Seele bis auf den Grund und legst sie offen vor mich hin.«
    »Das kann ganz gesund sein. Martin, ich weiß nicht, worum es im einzelnen geht, aber ich glaube, daß du das Problem nicht : richtig erkannt hast. Meine ganze Familie und ich kennen dich als einen rechtschaffenen, aufrichtigen und aufopfernden Gottesmann. Wenn du dich über die offensichtlichen Eigenschaften deiner Frau wunderst, hat das wohl seine Gründe. Auf mich wirkt sie jedenfalls überaus ehrgeizig.«
    »O ja«, sagte er eifrig, ohne zu bemerken, daß er von seinen strengen Loyalitätsgrundsätzen abwich. »Ihr Ehrgeiz ist unglaublich! Sie muß die perfekteste Pfarrersfrau sein, sie muß die Beste und Erste im Kirchspiel sein, niemand soll auch nur das Mindeste an ihr auszusetzen haben. Sie will eine unangreifbare Heilige sein, und sie bringt mich dazu, mich wie eine kleine Laus zu fühlen! Alles Fleischliche ist in ihren Augen Sünde. Cecilie, wir sind verheiratet. Und ich darf sie nicht anfassen!«
    »Wie bitte? Ich höre wohl nicht recht? Nein, aber Martin, wie kannst du nur dir selbst die Schuld daran geben? Ganz egal, ob sie so erzogen wurde oder ob sie von selbst darauf gekommen ist, aber das ist doch ein völlig verdrehtes Verständnis des Christentums!«
    Und plötzlich, nachdem er einmal nachgegeben hatte, war es, als ob sich bei ihm alle Schleusen öffneten.
    »Es ist schmutzig, eklig, schockierend, sagt sie, daß ich überhaupt an so etwas denken kann. Ich muß mir den Mund auswaschen, wenn ich aus Versehen einmal

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