Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe
Besuch bei ihrem Großvater mitnehmen. Da erhielt Mattias im letzten Moment die Nachricht, daß er auf Eikeby gebraucht werde, bei seinem Großvater, der inzwischen ziemlich alt war. Er machte sich sofort auf den Weg. So blieb es Kaleb überlassen, sich um das Mädchen zu kümmern. Aber Eli, die eine große Bewunderin von Gabriella war, bestand darauf, daß sie auch mitkommen sollte. Sofort wurde Gabriella von Minderwertigkeitsgefühlen befallen und lehnte kategorisch ab.
»Was ist denn jetzt in Eure Durchlaucht gefahren?« sagte Kaleb ärgerlich.
»Ich glaube, Ihr möchtet gar nicht, daß ich mitkomme«, murmelte sie schüchtern.
»Ach du meine Güte!« stöhnte er resigniert. »Es ist doch vollkommen unwesentlich, was ich will! Könnt Ihr nicht ein einziges Mal aufhören, nur an Euch selbst zu denken, Markgräfin? Und statt dessen Eli eine Freude machen?« Kleinlaut und beschämt bestieg sie den Schlitten. Eli strahlte.
Das Schweigen lag wie eine Barriere zwischen ihnen, wie sie so fuhren, zwischen sich das kleine Mädchen. Gabriella fand Kaleb ungemein grob und ruppig und hatte keine Lust, mit ihm zu reden. Sie merkte, wie sehr die Stimmung darunter litt, deshalb nahm sie Elis Hand und drückte sie aufmunternd. Das Mädchen lächelte dankbar zurück.
»Sieh an, Ihre Hochwohlgeboren kann ja, wenn sie will«, sagte Kaleb mit einem Seitenblick auf Gabriella. »Es ist nicht einfach, wenn sich einem das Herz innerlich verschlossen hat«, verteidigte sie sich kleinlaut. »Und Eure Eltern?« »Meine Eltern?«
»Habt Ihr nie daran gedacht, wie sie sich bei all dem gefühlt haben müssen?« Sie blickte ihn fragend an.
»Sie erhalten ihre einzige Tochter zurück - abgewiesen, mit dem Urteil bedacht, als Ehefrau nicht zu taugen. Könnt Ihr Euch in ihren Kummer hineinversetzen, Durchlaucht? Stellt Euch vor, Ihr hättet selbst eine Tochter, der eine solche Schmach angetan würde!« Gabriella versuchte es.
»Sie haben Euch alle Unannehmlichkeiten ferngehalten, war es nicht so, Markgräfin?« fuhr Kaleb unbarmherzig fort. »Ihr konntet Euch in Ruhe Eurem Kummer und Eurem Selbstmitleid hingeben, während Eure Frau Mutter sich hinsetzen und vielleicht Hunderte von demütigenden Briefen schreiben mußte, daß die Hochzeit abgesagt sei. Weil der Bräutigam ihre Tochter nicht haben wollte, der ihre ganze Fürsorge galt, und auf die sie gewiß sehr stolz war. Euer Herr Vater mußte alles abbestellen, alles rückgängig machen, was er für das junge Paar disponiert hatte. Haus, Mitgift, alles. Ohne ein Wort der Klage, habe ich recht? Ihre ganze Sorge galt Euch, ihrer einzigen Tochter. Und wie stand es mit Eurer Rücksichtnahme auf sie?«
Gabriella schluckte. »Ich werde sofort nach Hause schreiben und ihnen danken. Erzählen, daß es mir hier gutgeht, und daß ich die ganze Geschichte mit Simon vergessen habe.« »Habt Ihr sie vergessen?« Sie wägte ihre Worte ab. »Ich habe Simon vergessen. Aber ich glaube nicht, daß ich es wage, jemals wieder einem Mann zu vertrauen.« »Nicht alle sind wie er.«
»Nein. Aber ich bin immer noch dieselbe. Unattraktiv, flachbrüstig, unerwünscht. Überhaupt nicht anziehend. So etwas vergißt man nicht.«
»Wenn Ihr Euch mit jemandem unterhaltet, denkt Ihr also die ganze Zeit daran, wie Ihr ausseht? Wie wäre es, einmal die eigene unbedeutende Person zu vergessen und an andere zu denken? Sich für deren Leben und deren Probleme zu interessieren?«
Darauf hatte sie keine Antwort, wußte nichts zu ihrer Verteidigung zu sagen.
Eli beklagte sich: »Du sollst nicht so streng mit Gabriella sein! Sie ist so lieb. Und sie wird ganz traurig, wenn niemand sie mag. Genau wie ich.«
»Ich will ihr nur helfen, Eli«, sagte Kaleb und trieb das Pferd an. »Ihr könnt es doch, Markgräfin! Wenn Ihr mit den Kindern zusammen seid, denkt Ihr nur an deren Wohl, das haben wir gesehen. Dann seid Ihr aufmerksam und sanft. Warum solltet Ihr nicht versuchen, Euch auch Männern gegenüber so zu verhalten, wenn Ihr in Eure Kreise bei Hofe zurückkehrt?«
»Zurück«, sagte Gabriella leise und wandte den Kopf fort. »Ich möchte schon zurück nach Gabrielshus und zu meiner Familie, aber in die Kreise bei Hofe? Die können bleiben, wo der Pfeffer wächst! Hier bei euch gefällt es mir viel besser.«
»Das hört sich ja schon mal nicht schlecht an«, sagte Kaleb bissig. »Aber Ihr habt noch einen langen, langen Weg vor Euch. Zum Beispiel haben wir jetzt die ganze Zeit von Euch gesprochen. Ihr habt Euch mit keinem
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