Die Saga vom Eisvolk 06 - Das böse Erbe
Wort für mein Leben oder das von Eli interessiert.« »Oh«, sagte Gabriella wurde flammend rot im Gesicht. »Vergebt mir! Kaleb, ich weiß praktisch nichts über Euer Leben, seitdem Ihr die Grube verlassen habt.« »Da gibt es auch nicht viel zu erzählen.« »Aber ich möchte es hören!«
»Ein andermal. Wenn Eure Bitte etwas spontaner kommt als gerade jetzt.«
Sie war wieder einmal zurückgewiesen worden. Aber diesmal hatte sie es verdient.
Seltsamerweise machte der Gedanke an die bodenständige, blonde Traumfrau des ungehobelten Kaleb sie noch beklommener.
Aber sie bekam neuen Mut, als sie bei Elis bettlägerigem Großvater eintrafen. Es war ein wunderbares Gefühl für Gabriella und Kaleb, als sie das Mädchen von dem Märchenschloß berichten hörten, in dem sie wohnte, und wie herrlich alles zusammen war.
Da schien ihnen, daß ihnen ein großer Fortschritt gelungen war.
Wie Kaleb gesagt hatte: Ihr kleiner Rettungsversuch konnte nicht das schlimme Dasein aller notleidenden Kinder in Norwegen erleichtern. Aber vier Kindern konnten sie die Möglichkeit eines menschenwürdigen Lebens geben. Damit mußten sie zufrieden sein. Kaleb hatte aufgehört, gegen die Behörden zu kämpfen. Das war doch nur vergeudete Zeit. Hier sahen sie jedenfalls ein Ergebnis - wenn auch ein winzig kleines.
Andreas kam oft herauf und besuchte sie. Denn es war Winter und nicht so schrecklich viel zu tun auf Lindenallee. Wenn alle Kinder abends im Bett lagen, setzten die jungen Leute sich zusammen und erzählten. Hin und wieder gesellte Liv sich zu ihnen, und niemandem von ihnen fiel auf, daß eine Zweiundsechzigjährige in ihrem Kreis saß. Liv hatte schon immer ein jugendliches, offenes Wesen gehabt.
Aber an diesem Tag kurz vor Weihnachten wirkte sie bekümmert. Sie versank oft in Gedanken. Schließlich sagte Mattias: »Was ist los, Großmutter?« Sie schrak auf. »Ach, nein, es ist nichts.«
»Doch, nun sagt schon! Sorgt Ihr Euch um die Kinder?« »Nein, nein. Ich glaube, ich werde langsam alt. Ich höre manchmal schon Geräusche.«
Gabriella, die sich auf diese täglichen gemütlichen Runden freute, bei denen sie dazuzugehören schien, schauderte es ein wenig bei den Worten der Großmutter. »Geräusche?«
»Ja. Unheimliche Geräusche. Ich weiß nicht, woher sie kommen oder was für eine Art Geräusche es sind. Sie sind so diffus.«
»Das hört sich gruselig an«, lächelte Mattias. »Doch wohl keine Gespenster?«
»Nein, auf Grästensholm hat es nie vorher gespukt.« »Vorher?« sagte Gabriella. »Heißt das, bis jetzt?«
»Nein, vergiß es, ich habe es nicht so gemeint. Laßt uns nicht mehr davon sprechen! Gabriella, ich habe gesehen, daß du heute etwas für die Kinder gezeichnet hast. Du bist ja wirklich begabt, das habe ich gar nicht gewußt.« »Danke«, lächelte Gabriella glücklich und errötete unter Kalebs erstauntem Blick.
Aber sie hatte sein Erstaunen falsch gedeutet. Andreas' Worte machten ihr das klar.
»Aber Gabriella, was für ein wunderschönes Lächeln du hast«, sagte ihr kleiner Verwandter von Lindenallee. »Es kommt irgendwie von ganz tief drinnen und leuchtet so, daß du ganz verändert aussiehst. Wo du sonst immer ein so mürrisches Gesicht machst«, sagte er eher aufrichtig als höflich.
»Nicht mürrisch, Andreas«, wies Liv ihn sanft zurecht. »Unglücklich ist wohl das treffendere Wort.«
Gabriella war ganz verlegen geworden und hatte sich wieder in ihr Schneckenhaus zurückgezogen.
»Ich habe deine Zeichnungen auch gesehen«, sagte Mattias. »Von wem hast du das Talent dazu geerbt?« »Das hat sie von meiner Mutter Silje«, sagte Liv. »Ihr habt ja ihre Tapeten gesehen. In meiner Jugend habe ich selbst auch ein wenig gemalt. Aber mein erster Mann hat mein ganzes Selbstvertrauen zerstört, so daß ich mich später nie wieder daran gewagt habe.«
Gabriella begegnete ihrem Blick. Sie wußten beide, was es hieß, das Selbstvertrauen zu verlieren.
Die jungen Männer baten darum, ein Beispiel von Livs Zeichenkünsten sehen zu dürfen. Verwirrt und verlegen wie ein junges Mädchen ging sie, um ein paar Bilder herauszusuchen.
»Großmutter ist so rührend«, sagte Mattias, als sie fort war. »Ich glaube, dieses Projekt mit den Kindern bedeutet ihr unendlich viel. »Uns allen«, sagte Gabriella. Die Männer nickten.
Sie waren beinahe sprachlos, als sie Livs kleine Aquarelle zu Gesicht bekamen.
»Aber Mutter!« sagte Tarald, den sie hinzugeholt hatten. »Warum hast du nie etwas davon gesagt?
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