Die Saga vom Eisvolk 07 - Das Spukschloß
in die Hand nehmen.«
Als Tancred wieder angeschlichen kam, stand die gesamte Dienerschaft, alle fünf Personen, in der Tür.
»Herr Tancred«, sagte der Diener diskret, »Ihr könnt mit unserer Loyalität rechnen. Wir sind um Eure Gesundheit besorgt, und ich glaube nicht, daß es für die junge Dame gut ist, im Schuppen zu übernachten.«
Tancred errötete und starrte sie alle einen Augenblick an. So seufzte er und lächelte enttäuscht. »Mir geligt wohl ichts perfekt. Vielleicht köt ihr sie überzeuge …« Eine halbe Stunde später war Molly in einem warmen Zimmer auf dem Gut untergebracht und hatte trockene Kleider und warmes Essen. Tancred saß auf der Bettkante und sah sie glücklich an.
»Jetzt wird alles wieder gut. Die sid lieb, Bolly. Ich habe ur gesagt, daß du Agst hast ach Hause zu gehe, weil ma dir dort icht gut ist. Die sid alle gneu hier ud wisse icht, wer du bist. Gnur Bolly.«
Sie lächelte ihn verzweifelt an. »Ich hoffe, wir beide sind bald wieder gesund. Ich hasse es, Bolly genannt zu werden.« »Tut mir leid«, lächelte er.
»Du solltest dich auch hinlegen. Du hast Fieber.« »Ja, du hast recht. Geht es dir gut?«
»Wunderbar, du barmherziger Tancred. Gute Nacht und vielen Dank.« »Gute Acht, beie Liebste!«
Er ging leise hinaus. Vor ihrer Tür blieb er in seligem Glück stehen - bis er das Handtuch wieder hervorholen mußte. Ja, er hatte das kleine, unbrauchbare Taschentuch mit einem richtigen Handtuch ausgetauscht.
Es war nur so schwierig, es in die Tasche zu stecken. Am nächsten Tag lief die Nase nicht mehr, sondern war vollkommen dicht, und die Schmerzen saßen jetzt in der Luftröhre.
Mußte er jetzt alles noch einmal durchmachen? Das letzte Mal war er mehrere Wochen krank gewesen. Das durfte nicht wieder passieren.
Und so folgte er dann auch willig den Anweisungen des Dieners, den Rest des Tages im Bett zu bleiben. »Dem jungen Fräulein tut es auch gut, den heutigen Tag unter der Bettdecke zu verbringen«, sagte der Diener. Das fand Tancred auch sehr vernünftig.
Sie mußten sich an dem Tag damit zufrieden geben, einander Zettel zu schicken. Erst höfliche Anfragen nach dem Befinden. Später wurde der Inhalt dann mehr rosenrot.
Du brauchst Dich um mich nicht zu kümmern, schrieb Molly. Ich bin nichts für Dich. Du bist so rein und edel. Meine liebe Molly (mit M wie du siehst). Warum sagst Du, ich sei zu gut für Dich? Du, die Du wie eine Madonna für mich bist! Oh, Molly, wenn wir wieder gesund sind, habe ich Dir viel zu sagen. Du mußt wissen, daß ich bisher vollkommen keusch gelebt habe. Ich habe noch nie eine Frau angesehen, es ist, als hätte ich auf Dich gewartet.
Hier übertrieb Tancred aber nun wirklich. Keiner hatte sich so nach kleinen, üppigen Mädchen umgedreht wie er - aber verliebt hatte er sich nie. Bis jetzt war er nur neugierig gewesen. Jetzt war er bis über beide Ohren verliebt.
Sie antwortete: Mein teurer Tancred! Wenn ich nur reden könnte, wie ich möchte! Aber ich kann nicht. Ich hab' Dich so lieb, daß mein Kissen von all den Tränen ganz naß ist. Und so weiter…
Im Laufe des Abends fühlten sich beide besser, denn sie waren gut gepflegt worden. Nur aufstehen durften sie noch nicht.
In der Nacht schlief Tancred ganz ruhig - so ruhig, wie seine Nase es zuließ. Er trank mehrere Becher Wasser und mußte darum ein paarmal aufstehen. Aber ansonsten war er ganz ruhig geworden. Erst gegen Morgen wachte er plötzlich auf und erinnerte sich mit Schrecken daran, daß er Jessica Cross ihrem Schicksal überlassen hatte. Ein Gefühl von Angst und Eile ergriff ihn. Hier lagen er und Molly und schickten einander schwärmerische Liebesbriefe, während das arme Kind draußen herumirrte oder womöglich Räubern in die Hände gefallen war. Und auf wen außer Tancred und Molly konnte sie sich verlassen?
Er versuchte aufzustehen, aber der Diener war sofort zur Stelle und schob ihn zurück ins Bett.
Ungeduldig und nervös aß er ein leichtes Frühstück, ohne es richtig genießen zu können.
Es eilte! Molly… Sie mußten wieder los. Etwas unternehmen. Aber was?
Er war noch nicht ganz fertig mit dem Frühstück, als er unten im Schloßhof ein reges Leben und Treiben hörte.
Nach einer Weile hörte er energische Schritte auf dem Flur, und dann wurde die Tür aufgerissen. »Tancred, bist du schon wieder krank?«
Eine enorme Erleichterung erfüllte ihn. »Vater! Und Mutter! Oh, danke, danke, daß ihr gekommen seid.« Cecilie setzte sich auf sein Bett. »Wie
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