Die Saga vom Eisvolk 07 - Das Spukschloß
Körper verkrallt hatte und dort wahrscheinlich große blaue Flecken verursachen würde.
»Tancred, was hat er von deinem Vater erzählt?« fragte sie leise.
Sie hörte, wie er mit den Tränen kämpfte. Mußte das für einen Mann wie ihn nicht ziemlich peinlich sein? Sie war so diskret und vorsichtig wie nur möglich, verstand sie doch, unter welch unerhörtem Druck er lange gestanden hatte. Jetzt, wo er es endlich wagte, sich jemandem anzuvertrauen, mußte seine Reaktion ja enorm sein. »Er sagte… mein Gott, nein, ich kann es nicht sagen!«
»Doch. Du weißt, daß ich es nicht weitererzähle. Du weißt, daß ich dich liebe.«
Sie scheute sich nicht mehr davor, es ihm einzugestehen, wußte sie doch, daß seine Liebe ihr gehörte und er sie brauchte. Sie fühlte eine so große Zärtlichkeit für ihn, daß es sie fast zu erstickten drohte.
Tancred holte wieder tief Luft und preßte hervor: »Er behauptet, er sei…der Liebhaber meines Vaters gewesen.« Jessica verlor völlig die Fassung. Alles hatte sie erwartet, kriminelle Taten, Verschwörung gegen den König, Untreu … Aber das!
Nachdem sie sich endlich wieder gesammelt hatte, stammelte sie kraftlos: »Mein erster Impuls war, zu lachen. Genauso, wie du es getan hast. Aber du meinst es im Ernst, nicht wahr?«
Tancred wischte seine Nase ab. »Blutiger Ernst.« »Aber das verstehe ich nicht! Das hört sich doch völlig absurd an!«
»Ja. Aber so etwas gibt es, wie meine Kameraden mir bestätigt haben.« »Hast du mit ihnen darüber diskutiert?«
»Natürlich nicht über meinen Vater. Nur aufgepaßt, was sie davon erzählt haben und Fragen gestellt.«
»Nein«, sagte Jessica bestimmt, »nein, das kann ich nicht glauben!«
Er seufzte. »Damit habe ich gerechnet. Ich hätte nichts sagen sollen. Vergiß es!«
»Nein, nein, du mußt mir nur etwas Zeit geben…« Sie bekam kein weiteres Wort heraus und dachte eine lange Zeit nach, ohne ihre Gedanken sammeln zu können.
Zum Schluß sagte sie: »Ich verstehe es noch immer nicht. Dein Vater? Aber er hat doch zwei Kinder. Außerdem betet er deine Mutter an, daß sieht doch schon ein Kleinkind!«
»Ja. Ich glaube ja, daß der Mann lügt. Aber ich weiß es nicht. Du kannst doch sicher verstehen, daß ich damit nicht zu meinen Eltern gehen kann? Mich hinstellen und sagen, daß Vater… Nein, daß geht einfach nicht! So sehr kann ich sie nicht verletzen. Außerdem ist das Thema so abstoßend, daß ich es ihnen gegenüber - oder gegenüber Vater allein - nicht in den Mund nehmen kann. Auch wenn ich es mir mindestens schon tausend Mal vorgenommen habe. Und Mutter kann ich schon gar nichts erzählen! »Du hast ihm also Geld gegeben?«
»Alles was ich habe. Dieser Teufel verspricht mir den Brief immer zum nächsten Mal… und zum nächsten und zum nächsten. Jetzt weiß ich, daß ich ihn nie bekommen werde. Natürlich habe ich ihn für die Verleumdung meines Vaters zum Duell herausgefordert. Aber er hat nur gelacht. Duellieren will er sich nicht.«
»Wann sollst du dich wieder mit ihm treffen?« »Morgen abend. Und ich habe nichts, was ich ihm geben kann. Wenn ich nur den Mut hätte, ihn zu töten!« »Nein, nein!« rief Jessica erschreckt. Sie lehnte sich über die Bettkante und griff nach ihrer Geldbörse. Gleichzeitig trocknete sie diskret ihre Tränen. Sie mußte jetzt stark sein. »Wieviel will er haben?« »Soviel er kriegen kann - wie immer.«
»Sind zehn Reichsthaler genug? Mehr hab' ich nicht.«
»Nein, Jessica!«
»Nur, um ihn dieses Mal zu beruhigen. Bis wir uns etwas überlegt haben.« »Bist du nicht schockiert?«
»Fest entschlossen, besser gesagt. Sieh mal - natürlich bin ich entrüstet! Und verstehen tue ich gar nichts. Aber du hast dich mir jetzt endlich anvertraut, und ich habe versprochen, dir zu helfen. Ich versuche nur, einen klaren Kopf zu behalten. Aber dein Vater? Das männlichste Wesen, das ich kenne? Nein, Tancred, es muß sich um einen Betrug handeln.« »Wenn es nur so wäre!«
»Wir müssen an den Brief herankommen«, sagte sie. »Den kriegen wir nur über seine Leiche, das weiß ich.« »Wenn wir ihn nun bewußtlos schlagen und den Brief dann an uns nehmen?«
»Wie denn? Er sorgt immer dafür, daß er nicht mit mir allein ist.« »Wie ist er denn so? Wie sieht er aus?«
»Er sieht aus wie Ende vierzig. Sehr schäbig. Dicke Tränensäcke unter den Augen und fast keine Zähne mehr. Er versucht allerdings immer, einen eleganten Eindruck zu machen. Er muß einmal sehr gut ausgesehen
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