Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter
junges, frisches Aussehen, das durch das freundliche, offene Gesicht und die unschuldsblauen Augen noch unterstrichen wurde. Ein breiter Gürtel hielt die Weste zusammen.
Es schien, als sei er erfreut darüber, daß sie es war, die ihm öffnete. »Du bist noch auf, Hilde? Wo ist der Junge?«
Jonas' Gesicht leuchtete vor Freude matt auf, als er den Doktor sah. Mattias hatte die Kinder auf Elistrand in der letzten Zeit ja auch ungewöhnlich häufig besucht… Hilde stand daneben, als er den Jungen untersuchte und sich freundlich mit dem Kleinen unterhielt. Sie fühlte eine warme Zuneigung für Mattias von Meiden. Immer hatte er ein liebes Wort für alle, mit denen er zu tun hatte. Er blickte zu ihr hoch. »Ich fürchte, das sind die Masern. Tja, Hilde, nun bekommt ihr in der nächsten Zeit wohl eine Menge Arbeit auf Elistrand! Fünf Kinder, die alle dasselbe durchmachen werden!« »Ist das eine schlimme Krankheit?«
»Sie kann es sein. Aber wenn wir aufpassen, wird es schon gutgehen. Ich werde mehrmals täglich vorbeikommen.« Sie erstrahlte. »Das ist schön.« »Meinst du das wirklich?« sagte er und blickte sie forschend an. »Das weißt du doch«, erwiderte sie.
Mattias trug den Jungen ins Kinderzimmer hinauf, und gemeinsam deckten sie ihn sorgfältig zu. Er bekam einen Becher mit warmem Saft, den sie gerade aus der Küche geholt hatte, und Mattias schüttete ein Pulver hinein. »Der Zaubertrank von Tengel dem Guten«, lächelte er. »Er hat noch nie seine Wirkung verfehlt.«
»Und jetzt hat Mattias der Gute das Amt übernommen.« »Wie lieb von dir, Hilde.«
Er nahm sie sachte beim Arm und wandte sich um. »Hilde schläft im Zimmer nebenan, falls du sie brauchen solltest, Jonas«, flüsterte er.
Dann gingen sie aus dem Zimmer. Hilde geleitete ihn zur Tür.
In ihr schmerzte alles vor Mitgefühl mit ihm - wegen dem, was ihn am nächsten Tag erwartete. Aber alles, was sie vorläufig sagen konnte, war ein einfallsloses »Möchtest du etwas trinken?«
»Vielen Dank, aber ich muß sehen, daß ich nach Hause ins Bett komme.«
Sie konnte sich gar nicht von ihm trennen, deshalb ging sie noch mit hinaus.
Die Dunkelheit legte sich eng wie ein Handschuh um sie beide.
»Wie finster die Nacht ist! Findest du den Weg nach Hause?« »Das Pferd findet ihn auf jeden Fall.«
Worte, Worte - wo sie sich doch so danach sehnte, ihre Treue beweisen zu dürfen, an seiner Seite stehen zu können, wenn er und sein Vater mit dem ungeheuerlichen Verdacht konfrontiert wurden. »Mattias, ich… «
Er suchte ihren Blick in der Dunkelheit. »Ja? Warum sprichst du nicht weiter?« »Ach nichts, vergiß es.«
»Doch, jetzt will ich es hören! Ist die Katze wieder fortgelaufen? Und du traust dich nicht zu fragen, ob ich dich noch einmal hinauf begleite?«
»Nein, ich habe nicht an die Katze gedacht. Die ist jetzt hier heimisch geworden. Es hat ihr sicher nicht sehr gefallen, allein auf dem Hof zu sein und von niemandem Milch zu bekommen.« »Nun, woran hast du dann gedacht?«
Sie hielt den Atem an, damit ihr das Sprechen leichter fallen sollte, aber es klappte nicht. Und dann sah sie endlich einen Ausweg. »Könntest du noch einen Augenblick… einen langen Augenblick warten? Ich habe etwas für dich.« »Gut, ich warte.«
»Du kannst gern wieder hineingehen, wenn du möchtest.«
»Nein, ich werde mein Pferd holen. Reicht das?« »Ja, ich beeile mich.«
Sie lief ins Haus, schlich sich in Kalebs Arbeitszimmer, stibitzte ein Blatt Papier und tauchte die Gänsefeder in das Tintenfaß. Dann schrieb sie in ihrer unbeholfenen Schrift, denn es war schon viele Jahr her, daß die Mutter ihr Unterricht in der Schreibkunst gegen hatte: Liebster Mattias!
Ich möchte dir so vieles sagen, deshalb wird es wohl ein ziemliches Durcheinander, denn ich habe nur wenig Zeit. Ich kann nicht darüber sprechen, deshalb schreibe ich es auf. Es ist so schwierig, meine Gefühle für dich zu erklären, ich mag dich so schrecklich gern, darum ist es gut, daß du mir keinen Antrag machen freien, wie du sagtest, denn sonst würde ich wohl Ja sagen, und das wäre doch ganz verkehrt, daß der Edelste von allen sich das geringste Geschöpf in der ganzen Gemeinde erwählt, aber ich kann nichts dafür, daß ich dich so sehr mag. Du hast gesagt, daß ich zu dir kommen soll, wenn ich jemanden brauche. Aber ich brauche nicht irgendwen.
Ich brauche einen ganz bestimmten, warmherzigen und verständnisvollen Mann, der mich in die geheimnisvolle Welt der Liebe einführen
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