Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter
Ich möchte mehr über dein Leben wissen, über die Jahre in der Grube, und über das Mädchen in Tübingen. Auf die bin ich eifersüchtig.«
Da lachte Mattias noch mehr, und weil er merkte, daß es sie von dem Albtraum und all den unheimlichen Ereignissen des vergangenen Abends ablenkte, erzählte er von seinem Leben.
Und Hilde hörte zu, weinte ein bißchen über sein und Kolgrims unglückliches Schicksal, erfuhr mehr über die Freundschaft zwischen Kaleb und Mattias und fühlte sich so wohl in seinem Arm, daß sie sich wie ein Katze an ihn kuschelte und einfach genoß.
Dann mußte sie über ihr Leben erzählen, und diesmal hatte sie einen aufmerksameren und verständnisvolleren Zuhörer, als Andreas es gewesen war.
Da sie einander nun besser kannten, schmiegten sie sich noch enger aneinander, und Hilde schlief ruhig wieder ein. Mattias war schon ein bißchen enttäuscht, daß sie das so einfach tun konnte, wo er doch so nah bei ihr war. Aber er nahm es als Zeichen dafür, daß sie sich vollkommen sicher bei ihm fühlte - und ein bißchen erleichtert war er wohl auch. Er war noch nicht ganz bereit für einen Versuch, ob seine Männlichkeit so funktionierte, wie sie sollte.
Aber in was für einem Dilemma steckte er! Seine angeborene Ritterlichkeit verlangte, daß er sie vor der Hochzeit nicht anrührte - aber Hilde hatte völlig recht, sie sollten besser vorher ausprobieren, ob sie eine gemeinsame Zukunft hatten.
Die Morgenröte begann schon das Zimmer zu färben. Mattias befreite seinen halb gefühllosen Arm und drehte sich auf die Seite. Er merkte, wie Hilde sich im Schlaf enger an ihn kuschelte, ihre Knie in seine Kniekehlen schob. Sie paßten genau ineinander. Und Mattias fühlte eine behagliche Wärme in seinem Körper, ergriff ihre Hand, die auf seiner Brust lag, und küßte sie. Dann schlief auch Sankt Mattias ein.
Andreas und Kaleb waren am nächsten Morgen frühzeitig auf den Beinen. Auf Grästensholm war man gerade erst mit dem Frühstück fertig geworden, als die beiden eintraten.
»Mattias, du mußt deine Arztbesuche heute aufschieben. Wir müssen auf Werwolfjagd gehen.«
»Und die Masern? Ich kann doch die Kinder nicht im Stich lassen!«
»Auch wieder wahr. Zu Hause auf Elistrand haben wir inzwischen drei Kranke. Aber wir wissen ja, was zu tun ist.«
»Ich kann mich um die Masern kümmern«, sagte Liv. »Wenn Mattias mir sagt, was ich tun soll, kann Jesper den Wagen nehmen und mich herumfahren.«
»Gut, Großmutter«, sagte Mattias. »Denn ich möchte heute schon gern mit den Männern gehen.«
»Ich auch«, sagte Hilde.
»Hast du noch nicht genug von Werwölfen?« fragte Kaleb.
»Doch, so gesehen schon. Aber ich habe eine Idee, wer es sein könnte, und das möchte ich mit Euch unter vier Augen besprechen, ist das möglich? Denn Ihr habt auch einen Verdacht, nicht wahr?« »Ja, den habe ich. Dann komm!«
Sie gingen hinaus in die Halle und setzten sich in den Erker.
»Welche Anhaltspunkte hast du?« fragte Kaleb. »Einer der Männer hat nicht von dem Bier getrunken, obwohl er sich schlafend gestellt hatte.« »Tatsächlich? Das ist interessant!« »Und Ihr?«
»Der Lederriemen, den wir gefunden haben. Und die Hexenschnur in der Hand der toten Frau damals.« »Ihr verdächtigt jemand Bestimmten?« »Ja. Sag, an wen du denkst!«
Sie sagte es. Kaleb nickte und nannte denselben Namen. »Dann schlagen wir zu. Sofort. Du kommst mit.« Ein Problem war, daß Hilde nicht reiten konnte. Aber Mattias löste es dadurch, daß er sie vor sich in den Sattel setzte.
Sie ritten über den Hügel hinüber zur Vogtei. Aber der Vogt war nicht zu Hause. Er war unterwegs, um einen Wegelagerer zu fangen.
Kaleb fragte die Haushälterin des Vogts: »Wie war das mit der Frau, die diesen Sommer als Hexe verhaftet wurde? Was ist mit ihr geschehen?«
»Sie wurde auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Sie war so schuldig, wie man nur sein kann!« »Woher wollt Ihr das wissen?«
»Pah! Beweise gab- es genug, das können die Herrschaften mir glauben! Einen ganzen Haufen Beweise!«
Die Haushälterin war eine einfache, offenherzige ältere Frau.
Sie standen draußen auf der Treppe in der Augustsonne. »Habt Ihr die Beweise gesehen?«
»Aber ja. Der Vogt brachte eine Menge seltsamer Dinge mit nach Hause.« »Wie Hexenschnüre und ähnliches?«
»Und getrocknete Kröten und ich weiß nicht was noch!« Ein Hund bellte in einem Pferch.
»Er hat Jagdhunde, wie ich sehe.« »Ja, der Vogt hat prächtige Hunde.« »Drei
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