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Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame

Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame

Titel: Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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und Livland besetzt haben. Ach, ich denke an mein gefürchtetes Dorf in der livländischen Ebene! Ich habe Dir nie etwas von meinen entsetzlichen Erlebnissen dort berichtet. Überhaupt habe ich dir wohl nur wenig erzählt? Ich frage mich, wie es Birgitte ergangen sein mag, dem Mädchen, das mir eine Zeitlang so gut gefiel. Nun, sie wird es wohl geschafft haben, konnte sie ihren Mantel doch gut nach dem Wind drehen. Jetzt denke ich nicht mehr gerne an sie. Nur gut, daß wir Troll von dort wegbringen konnten. Ihm geht es gut bei Dir, und das beruhigt mich.
    Mein merkwürdiger Geisteszustand hat sich nicht gebessert, im Gegenteil. Sogar Onkel Gabriel sieht ein, daß das Soldatenleben nichts für mich ist. Ich habe Sehnsucht, Anette. Sehnsucht nach dem Haus, das ich so gut kenne und jetzt auch als meines zu betrachten wage, nachdem ich so viel Arbeit hineingesteckt habe. Ich bin ganz krank vor Sehnsucht nach Dominic wie geht es ihm, unserem kleinen, herrlichen Jungen? Da siehst Du, wie sentimental man wird, wenn man so weit von zu Hause fort ist. Ich vermisse Troll an meiner Seite - und ich vermisse Dich, Anette. Ob Du es glaubst oder nicht, aber es ist so! Wir sind einander nähergekommen, finde ich, wenn auch nicht in allen Dingen.
    Ich habe eingesehen, daß ich Dir doch von meinen Schwierigkeiten hätte erzählen sollen. Vielleicht hättest Du meine Probleme verstanden, oder wenigstens versucht, sie zu verstehen. So war es nur Klein-Dominic, der wußte, wie schlecht es mir manchmal ging. Er hatte soviel Verständnis, der kleine Bursche. Mein Gott, wie lieb ich ihn habe!
    Jetzt traue ich mich auch, Dir zu erzählen, daß ich oft Lust hatte, mit Dir zu schlafen. Aber ich wagte nicht, Dich zu fragen, Du wirktest so abweisend, als hättest Du Angst vor meiner Nähe. Manchmal hatte ich den Eindruck, als betrachtest Du mich als einen großen, klumpigen, schmutzigen und widerwärtig männlichen Jemand, der in Dein Haus eingedrungen war. Ich muß gestehen, daß ich in meiner Einsamkeit von Dir träume. Wachträume, in denen ich Dich in meinen Armen halte. Das erste Mal vor vielen Jahren zählt nicht. Es war, als wären wir beide nicht dabeigewesen, nicht wahr?
    Verzeih mir, daß ich so offen bin. Aber Du hast darum gebeten. Hab keine Angst, Anette. Wenn ich wiederkomme, werde ich genauso verschlossen sein wie früher. Vielleicht noch mehr, denn ich fühle, wie die Finsternis mich wieder erfaßt.
    Bete zu Deiner Madonna, daß sie Euch alle beschützt!
Dein ergebener Mikael

    Zitternd faltete Anette den Brief wieder zusammen. »O Gott«, flüsterte sie, »o barmherziger Himmlischer Vater, was soll ich tun? Kann ich ihm schreiben?«
    Doch, das mußte sie. In ein paar Tagen würde eine Ordonnanz losreiten, das wußte sie.
    In einem Zustand großer Erregung antwortete sie:

    Mein lieber Mann!
    Danke für Deinen schönen Brief, über den ich mich sehr gefreut habe. (Klang das nicht ein bißchen zu eifrig? Nein, es war richtig so.)
    Uns geht es allen gut. Dominic fragt oft nach Dir, und Troll vermißt Dich, das ist gut zu merken. Er hat nach Deiner Abreise in allen Räumen nach Dir gesucht.
    Mit tut es auch leid, daß Du mir Deine geistigen Schwierigkeiten nicht anvertrauen konntest, Ich weiß, daß ich mich nicht richtig benommen habe, aber alles kam so plötzlich, und ich hatte keine Ahnung. Wäre es nicht gut für Dich, Dein Vertrauen in Gott zu setzen? Alles in Seine Hände zu legen? Du bist nicht sehr gottesfürchtig, ich weiß. Und das macht mir große Sorgen. Aber ich bitte Dich, erzähle mir, was Dich quält. Vielleicht geht es besser, wenn wir weit voneinander entfernt sind.

    Weiter enthielt der Brief nur Berichte über Haus und Garten. Mit keinem Wort wagte sie, auf seine Ausführungen über ihr Verhältnis einzugehen.
    Mikael nahm den Brief mit gemischten Gefühlen entgegen. ›Geistige‹ Schwierigkeiten hatte sie geschrieben. Das klang so religiös. Er konnte nichts Religiöses in der unheimlichen Vorstellung von der großen Leere sehen. Oder war es vielleicht der große Schlaf? Immer mehr begann er sich nach einem langen, langen Schlaf zu sehnen, der all sein endloses Suchen verschlucken und ihm für immer eine gesegnete Stille bringen würde. Die Post kam natürlich nicht regelmäßig. Ihre Briefe mußten sie immer dann abschicken, wenn in direkter Verbindung mit dem königlichen Stab ein Bote auf den Weg geschickt wurde.
    Der nächste Brief, den Anette erhielt, war lange unter wegs gewesen. Überrascht stellte sie

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