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Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame

Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame

Titel: Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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unbeholfen ihre Hände auf seinen Kopf.
    »Mikael… Ich bin nicht stark genug. Das schaffe ich nicht. Ich habe Angst!«
    Sie weinte. »Ich möchte dir so gerne helfen. Aber ich kann nicht. Weiß gar nicht, wie. Das ist ja… abscheulich!« Er verstand. Die Verrückten, die Geisteskranken wurden von der Gesellschaft verstoßen. Für sie war kein Platz, und schon gar nicht in den besseren Kreisen.
    Mit einem Seufzer erhob er sich. »Vergib mir, meine Liebe. Es ist gut, daß ich morgen weg muß.«
    Sie sah ihm lange nach, als er niedergedrückt von Sorgen und Einsamkeit die Küche verließ. Unbewußt kam ihr ein Gedanke: Mutter, Ihr habt mir nie erzählt, daß Männer eine Seele haben. Aber sie haben eine, nicht wahr? Die fadenscheinigen Grundsätze der Mutter bekamen langsam Risse. Dominic würde ja auch einmal ein Mann sein. Würde er dann seine kleine, gute Seele verlieren und ein Schwein werden?
    Als Mikael später an ihrer Tür vorbeiging, sah er sie in einem inbrünstigen Gebet vor der Madonna knien. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einer bitteren Grimasse. Anette machte bei seiner Abreise einen ganz betrübten Eindruck. Aber sie war anders erzogen worden. Der Soldatenberuf bedeutete Ehre. Für sein Land zu kämpfen, war etwas Großes. Auch wenn das eigene Land der Angreifer war.
    »Es ist besser so, Anette«, versuchte Mikael sich selbst zu überzeugen. »Aber selbst wenn wir nicht wie Mann und Frau zusammenleben, so sind wir doch Freunde, nicht wahr?« »O ja«, flüsterte sie mit blanken Augen. »Würdest du bitte auf Troll achten?« Sie nickte eifrig.
    »Daß du dich um Dominic gut kümmerst, weiß ich ja. Ich werde ihn sehr vermissen. Euch alle.«
    »Schreib mir«, sagte sie plötzlich. »Versprich mir, Briefe zu schreiben!«
    Er zögerte, und sie fügte schnell hinzu: »Ich verspreche dir, daß du nie bereuen sollst, was du mir geschrieben hast. Es ist sicher bei mir aufbewahrt.«
    »Na ja«, sagte er langsam, »schreiben kann ich dir wohl.« »Ich danke dir!«
    »Kann ich… mich ganz offen ausdrücken? Alle meine Gedanken niederschreiben?« »Mach das, ich bitte dich darum!«
    Nie zuvor war er so anziehend gewesen wie jetzt, aufbruchsbereit in einer eleganten Uniform mit hohen Stiefeln, eine wehende Feder am Hut und den Umhang lose von den Schultern hängend. Vor Anette drehte sich alles. »Ich muß das alles jemandem erzählen, verstehst du? Nur, für die Empfängerin der Briefe wird es nicht leicht sein.«
    Sie richtete sich feierlich auf. »Ich werde mich deines Vertrauens würdig zeigen, Mikael, das verspreche ich dir.«
    Er nickte beruhigt. »Versprich mir, daß du schreibst, sowie die Briefe mich erreichen können.«
    »Gerne. Möchtest du, daß ich auch .. . offen bin?« Mikael ergriff ihre Hände. »Gebe Gott, daß du es bist!« »Ja, das werde ich«, sagte sie gerührt, so daß ihre Worte nur ein leises Piepsen waren. »Leb wohl, Mikael! Und… komm zurück!«
    Mit Grauen dachte sie an den fürchterlichen Augenblick, als sie ihm beim letzten Abschied den Tod auf dem Schlachtfeld gewünscht hatte. Jetzt wünschte sie das nicht mehr. Jetzt wünschte sie, ehrlich und aufrichtig, seine Heimkehr.
    Er nahm sie in die Arme, und küßte sie auf die Wange. Mit einem wehmütigen Lächeln bemerkte er ihr Zusammenzucken. So folgte ein gefühlvoller Abschied von seinem Sohn. Der Junge weinte und war ganz unglücklich. Der Hund dagegen verstand gar nicht, warum er in die Arme genommen wurde.
    So verließ Mikael das Haus, in dem er mehr oder weniger selbstverschuldet ein Fremder war.

    Der erste Brief erreichte Anette im Spätherbst 1657.
    Meine liebe Frau!
    Du erinnerst Dich sicher, daß ich versprach, in meinen Briefen aufrichtig zu sein. Du mußt sie also hinnehmen, wie sie sind. Mir ist übrigens aufgefallen, daß ich mich in Briefen viel leichter ausdrücken kann. Wenn ich einem Menschen gegenüberstehe, verschlägt es mir die Sprache, ich weiß nicht warum.
    Wir haben das Heer Seiner Majestät in Pommern eingeholt. Es hatte Polen in wildem Galopp verlassen, ohne Rücksicht auf die Pferde. Lieber Gott, wie ich eine solche Behandlung stummer Geschöpfe verabscheue. Typisch Mikael, dachte Anette liebevoll.
    Da die Dänen bei weitem nicht so kampferprobt waren wie die Schweden, konnten wir Süd-Jütland schnell einnehmen. Jetzt stehen wir mitten in Jütland und der König überlegt, wie er nach Seeland übersetzen kann, um Kopenhagen einzunehmen.
    Vor kurzem habe ich erfahren, daß die Russen Ingermanland

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