Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame
damit umgehen. Wir brauchen es gar nicht zu versuchen, das würde doch nicht helfen.«
»Hier ist die Formel, die ich gesucht habe«, sagte Mattias plötzlich.
Liv nahm das dünne, spröde Stück Birkenrinde mit den merkwürdigen Zeichen in die Hand. »Nein, meine Augen sind nicht mehr so gut. Was steht da?«
»Milch von schwarzer Kuh«, buchstabierte Mattias mühsam. »Pfeif auf die Farbe! Hol Milch!« »Nein, wenn schon, denn schon«, sagte Cecilie. »Habt ihr keine schwarze Kuh im Stall?« »Doch, aber … «
Cecilie überhörte alle Proteste. »Niklas, ruh deine Arme aus und sag der Stallmagd, sie soll dir Milch von einer schwarzen Kuh geben! Aber von einer schwarzen! Ein Leben steht auf dem Spiel, sag es ihr!«
»Das wissen sie alle«, murmelte Liv. »Weiter, Mattias.« »Eine Unze Drachenblut… «
»Na wie ist's? Haben wir im Augenblick einen Drachen im Stall?« fragte Cecilie sarkastisch.
Dieses Mal schimpfte Liv nicht mit der Tochter. Cecilies Verzweiflung war ganz offensichtlich. »Das ist ein Kraut, Cecilie.«
Mattias rastlose Hände suchten bereits zwischen all den Lederbeuteln und Dosen aus Birkenrinde. »Ich hab das doch gerade gesehen…Hier!«
»Leg es zur Seite. Weiter!« »Eine Unze Teer…«
»Herrgott, sollen wir Mikael damit foltern?« fragte Cecilie.
Aber sie rief Andreas herein und bat ihn, aus dem Wagenschuppen Teer zu holen.
»So, dann fehlen nur noch ein paar Kräuter. Die hab ich alle hier. Holzkohle von einem Lagerfeuer, gebrannt in der Dämmerung…«
»Nein, das können wir nicht… Doch, haben wir«, sagte Liv. »Hattet ihr hier auf Lindenallee nicht neulich ein Lagerfeuer? Oben auf dem Hügel.«
»Das soll dann alles mit einem Becher Branntwein gemischt werden.«
»Bis jetzt das einzig Vernünftige«, murmelte Cecilie. »Aber Milch und Branntwein… ? Da hab ich schon bessere Aperitifs getrunken.«
Leute wurden losgeschickt, um die notwendigen Zutaten einzusammeln.
»Die Sache mit dem Teer gefällt mir nicht«, meinte Mattias. »Können wir den nicht weglassen?«
»Dann nimmst du eben nur ganz, ganz wenig«, schlug Cecilie vor.
Niklas saß wieder bei Mikael und hielt die Hände über sein Herz. Die anderen Kinder waren auf Grästensholm, wo Gabriella sich um sie kümmerte. Kaleb hielt sich auf Lindenallee auf.
Das Gebräu war fertig. Es roch einfach widerlich. Dann begann die mühselige Arbeit, Mikael das merkwürdige Zeug einzuflößen, an das eigentlich niemand so recht glaubte. Aber dieses Gebräu war ihre letzte Hoffnung.
Nur Liv und Cecilie durften mit Mattias im Zimmer bleiben. Und natürlich Niklas, ihn konnte man nicht entbehren.
Bedrückt über ihre eigene Unzulänglichkeit und Hilflosigkeit warteten die anderen alle im Wohnzimmer. Yrja sah aus dem Fenster. Plötzlich sagte sie:
»Da kommt eine Kutsche die Allee hinauf.«
»Gut, daß ich die schon geräumt habe«, sagte Brand. »Aber wir können doch jetzt keinen Besuch empfangen.« Matilda schüttelte den Kopf. »Wir werden sie bitten, ein anderes Mal wiederzukommen.«
Andreas hatte sich neben Yrja gestellt. »Der Wagen kommt nicht aus dem Dorf. So staubig, wie er ist, kommt der von weit her.«
»Nimm du sie in Empfang, Andreas«, sagte sein Vater. »Sag, daß es im Augenblick schlecht paßt.«
Andreas ging hinaus. Vom Fenster aus sahen die anderen, wie er mit dem Kutscher sprach, und wie eine junge Frau aus dem Wagen stieg.
Andreas wandte sich ihr zu. Die anderen konnten sehen, daß er sie höflich begrüßte, vorsichtig ihren Arm nahm und sie dann ins Haus führte.
»Wer kann das sein?« wunderte Matilda sich.
Die beiden betraten das Zimmer. Die junge, dunkelhaarige Frau blieb beim Anblick all der Menschen zögernd an der Tür stehen.
»Anette Lind vom Eisvolk«, stellte Andreas kurz vor. »O Gott«, flüsterte Jessica.
»Ist mein Mann hier?« fragte Anette unsicher. »Und mein Sohn?«
»Dominic ist auf dem Nachbarhof untergebracht. Mikael hat sich das Leben genommen.« Kalebs Stimme klang ziemlich schroff.
Anette stieß nur ein leises Geräusch aus, aber sie sahen, wie die Farbe aus ihrem Gesicht verschwand. Matilda bot ihr schnell einen Stuhl an und sagte streng: »Aber Kaleb!« Sie wandte sich Anette zu. »Er lebt noch. Sie kümmern sich um ihn im Zimmer nebenan. Aber viel Hoffnung haben wir nicht.«
»Kann ich ihn sehen?« flüsterte der Gast. »Bitte!« »Nur, wenn Ihr Euch nicht hysterisch aufführt. Seid leise!« Anette nickte. Matilda öffnete ihr die Tür.
Sie blinzelte mit den
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