Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame
gesagt… Nein, das kann ich nicht aussprechen!« »Ich meine aber, du solltest das tun«, sagte Cecilie ruhig und betrübt. »Mein liebes Kind, du warst wohl die letzte, die Mikael hätte heiraten sollen! Mikael ist so empfindlich, daß es direkt eine Belastung für ihn ist. So empfänglich für die Gefühle anderer und so rücksichtsvoll, daß er daran zugrunde geht.«
Anette bedeckte ihr Gesicht mit den Händen.
Cecilie war zwar bekümmert, aber unbarmherzig. Dieses ungemütliche Gespräch war notwendig, wenn sie die andere aufrütteln wollte. »Wie hast du deine Verantwortung als Ehefrau eigentlich wahrgenommen?« »Ich habe mich nie geweigert…«
»Nein, das ist schon möglich. Aber wie gesagt, Mikael ist sehr empfindlich. Und was hast du ihm gegeben? Liebe, Anette, Liebe gibt man, ohne eine Gegenleistung zu erwarten.«
Sei nicht so hart, Tante Cecilie, dachte Mikael. Sie kann doch nichts dafür.
»Ich konnte nicht«, flüsterte Anette. »Mutter hat von den Männern so häßliche Sachen erzählt.« »Was hat sie denn von ihnen gesagt?«
»Daß sie… Schweine sind. Daß sie uns nur umgarnen und verführen wollen. Und daß ich nicht darauf eingehen solle. Daß wir Frauen uns unterwerfen müssen, damit wir Kinder bekommen, aber darüber hinaus nicht verpflichtet sind, uns mit ihren widerlichen Gelüsten abzufinden.« Cecilie saß stumm da. »Sind das deine Worte, oder die deiner Mutter?« war alles, was sie hervorbrachte. »Das hat Mutter immer gesagt. Immer wieder. Und Mutter war eine sehr mächtige Frau. Sie wußte alles, konnte alles, alle haben sie um Rat gefragt. Was sie gesagt hat, war immer richtig.« »Und dein Vater?«
»Nein, der… An den kann ich mich kaum erinnern. Er hatte so viele Fehler.« »Findest du Mikael widerlich?«
Anette zuckte zusammen. »Nein, widerlich nicht. Nur beängstigend.«
»Also weißt du, meine Liebe.« Cecilie seufzte. »Ich kenne niemanden auf der Welt, der weniger beängstigend ist als Mikael.«
»Aber er ist so groß. So groß und männlich. Es ist so widerlich, wenn er… in meiner Nähe ist.« »Widerlich? Aufweiche Weise?« »Nein, das kann ich nicht sagen!« »Mußt du… dagegen ankämpfen?« Anette sah sie erschreckt an. »Innerlich«, fuhr Cecilie fort.
»Heilige Madonna, erlöse mich von meinen Sünden«, flüsterte Anette und bekreuzigte sich. Anette, Anette, dachte Mikael wehmütig.
Cecilie sah ein, daß sie die andere genug unter Druck gesetzt hatte und wechselte das Thema. »Hör zu. Niemand weiß, ob Mikael überleben wird. Wenn ja, was willst du dann tun?«
»Ihn um Vergebung bitten. Und hoffen, daß wir noch einmal von vorn beginnen können.« Cecilie nickte. »Willst du, daß er überlebt?«
Anette begann wieder zu weinen. »Mehr als alles auf der Welt!« »Und was ist mit dem anderen?«
»Mit welchem anderen? O, Henri! Das hat Mikael völlig falsch verstanden. Am schwedischen Hof bin ich eine Ausländerin. Wenn dann mal ein Landsmann dorthin kommt, bin ich natürlich überglücklich, daß ich wieder Französisch sprechen kann. Aber daß ich in Henri verliebt sein soll und ihn heiraten will… Ein ganz unmöglicher Gedanke. Henri ist ganz ungefährlich, darum kann ich mich doch so ungezwungen mit ihm unterhalten.«
Gequält fuhr Anette fort: »Henri ist so ganz anders als Mikael!«
Da lächelte Cecilie. »Jetzt zeigst du deine Gefühle. Und jetzt glaube ich dir auch, daß du Mikael liebst. Ich möchte dir etwas erzählen, was sonst niemand weißt, Anette, dann wirst du sehen, wie wichtig es ist, selbst zu geben. Ich habe auch einmal so eine Ehe geführt wie Mikael. Alexander und ich, wir haben nämlich aus Vernunftgründen geheiratet. Aber ich liebte ihn, o Gott, wie sehr liebte ich ihn! Selbstverständlich durfte ich ihm meine Liebe nicht zeigen, er hätte sie nicht angenommen.« Anette machte große Augen.
Erregt sagte Cecilie: »Kannst du dir vorstellen wie es ist, jahrelang mit einem Menschen zusammenzuleben, ohne ihm deine Liebe beweisen zu dürfen? Wie es ist, vor lauter Sehnsucht nach seiner Nähe nachts nicht schlafen zu können?« »Aber warum? Hatte er eine andere?«
»Nein«, lächelte Cecilie. »Den Grund kann ich nicht verraten, der ist zu persönlich. Aber ich kann dir versichern, daß ich oft daran gedacht habe, meinem Leben ein Ende zu setzen. Aber Alexander brauchte mich. Er war im Krieg schwer verletzt worden und… Na ja, am Ende haben wir einander in tiefer und gegenseitiger Liebe gefunden. Aber noch heute muß ich
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