Die Saga vom Eisvolk 10 - Wintersturm
Schlösser auf. Sie war gespannt, was kommen würde. Er nahm eine Kiste und stellte sie auf seinen Arbeitstisch.
»Ich habe die ganzen Sachen geordnet und katalogisiert, einen Teil davon habe ich schon in meine Arznei eingegliedert, da waren sehr effektive Arzneien bei. Das hier sind die alten Schriften, auch eine Menge geheimnisvolle Rezepturen. Ich glaube aber, man kann nicht allem trauen, was hier steht.«
Ihre Augen flogen über all die Dinge aus der Kiste, die er auf dem Tisch ausbreitete. Sie war begeistert über die Vielfalt der alten Medizin. Eine tiefe Ehrfurcht erfasste sie, Villemo erkannte, dass das wirklich ein großer Schatz war.
Streng, mit einem harten Glanz in seinen Augen, sagte Mattias: »Offiziell haben wir alle Sachen des Eisvolks vernichtet, sollte es bekannt werden, dass wir die Sachen noch in unserem Besitz haben, so wäre das sehr gefährlich für uns, das begreifst du doch, Villemo.« Sein Tonfall verschärfte sich. »Ich verlasse mich darauf, dass du niemals etwas, was du hier gehört und gesehen hast, irgendwann erwähnen wirst.«
»Natürlich«, sagte sie mit weinerlicher Stimme, stolz über das Vertrauen, das er in sie setzte.
Mattias zog einige Birkenrinden-Etuis aus der Kiste. »Das hier in meiner rechten Hand ist ein Aphrodisiakum, ich glaube, das ist das Richtige für dich.«
»Wofür ist das?« fragte sie etwas zu hastig. Das will ich haben, dachte sie. Alle Verbote hatten eine große Anziehungskraft für Villemo.
»Dieses Mittel steigert die männlichen Lüste. Wenn man das Pulver genommen hat, dann kann man nichts mehr dagegen tun.«
Sie zog eine Grimasse, sie war nicht mehr in dem Alter, in dem sie vor erotischen Gesprächen zurückschreckte.
In der linken Hand hielt Mattias ein gleiches Etui, aber mit anderer Beschriftung. »Das hier ist für die Verlängerung des Liebesaktes beim Mann, damit er seine Frau auch in die höchsten Höhen heben kann. Das war eine Brücke zu König Mark, in der Sage von Tristan und Isolde, das Drama kennst du ja, du warst ja schon öfter mit deinen Eltern im Theater in Christiana.«
Sie hatte nur mit halbem Ohr zu gehört. Sie hatten selbst einen Tristan in der Familie, sie kannte die alte Rittersage. Ihre Augen hingen wie festgeklebt an dem Präparat in Mattias’ Hand.
»Ich glaube nicht daran, Onkel Mattias. Kann ich nicht mal eine Prise davon haben oder selbst probieren?«
»Nein, ich sehe schon – oh, was bist du für ein kleines, liebes Luder. Nein, Villemo, niemand sollte mit den Gefühlen anderer Menschen experimentieren.« Er legte alles in die Kiste zurück.
»Villemo, ich denke, wir wollen deine wilden Gedanken und Ideen vergessen. Meine Großmutter Silje erzählte mir einmal, dass Hanna ihr einen Liebestrank verkaufen wollte, damit sie Tengel den Guten gewinnen konnte. ‚Wenn ich ihn nicht ohne dieses Mittel gewinnen kann, dann bin ich nicht stark genug, um ihn zu gewinnen’ hatte Silje Hanna geantwortet. Denk darüber nach, Villemo, was eine Liebe wert ist, wenn sie mit solch einem Mittel erkauft wird.«
Sie schluckte. »Ja, du hast recht, Onkel Mattias.«
Sie musste ohne Liebeskräuter nach Hause gehen. Mattias stand am Fenster und sah ihr nach.
Habe ich alles richtig gemacht? Sie hat über den Schatz Bescheid gewusst, dachte er. Ich habe ein gefährliches Feuer in ihr geschürt. Villemo war ein Häufchen Elend, keiner war so labil, so schwierig, niemand verstand sie. Gabriella und Kaleb liebten ihr einziges Kind und waren unmäßig stolz auf sie, aber sie konnten es nicht verleugnen, dass sie ein kleiner Troll war. Akkurat wie Sol, hatte Liv immer wieder gesagt, solange ihr Wesen nicht durch schlimme Dinge verändert wird, denn dann könnte es lebensgefährlich für alle werden. Ja, das hatte Liv immer wieder gesagt. Und sie begann, sich zu verändern, enttäuscht und zornig ging sie umher, das war nicht mehr die alte Villemo. In ihren Augen war eine böse Glut. Noch glaubten alle, dass Villemo harmlos wäre, aber sicher konnte man nicht sein, nicht bei ihr.
Mattias bekam neuen Besuch, Tristan. Er war ein zitternder, bei jedem Ansehen oder Ansprechen errötender fünfzehnjähriger Junge. Er wollte mit Mattias sprechen, alleine. Da war wohl Doktor Mattias gefragt. Tristan saß vornüber gebeugt, die Ellenbogen auf die Lehnen gestützt, die Hände fest zusammengepresst. Ihm gegenüber saß Mattias, Irmelins Vater, den er mit flackernden Augen ansah. In Mattias’ Augen fand er Trost und Verständnis. Das gab dem
Weitere Kostenlose Bücher