Die Saga vom Eisvolk 10 - Wintersturm
Jungen Hoffnung. Mehrere Tage hatte er sich, gepeinigt von seiner Verfehlung und geplagt von Gewissenbissen, von allen fern gehalten. Zum Schluss hatte er eingesehen, dass nur einer ihm helfen konnte, und dem saß er jetzt gegenüber.
»Ich vermute, du fühlst dich nicht wohl«, sagte Mattias mit weicher Stimme. Tristans Adamsapfel sprang auf und ab, er brachte keinen Ton hervor. Mattias sah Tränen in den Augen des Jungen.
»Mein Lieber, was bedrückt dich?« Er war aufgestanden und kam zu Tristan. Seine Stimme war beruhigend und seine Hand strich zärtlich durch seine krausen Haare, sodass Tristan die Tränen aus den Augen schossen. Alle Spannungen lösten sich, er war außerstande, etwas zu sagen. Er streckte Mattias seine Hände entgegen. Mattias nahm die eine Hand und sah sie lange an, dann prüfte er die andere Hand.
»Du hast die Syphilis, mein Junge. Das müssen wir auskurieren, bevor du nach Hause fährst.«
»Bist du sicher, dass meine Eltern davon nichts erfahren?«
»Tja, da musst du vorsichtig sein und darfst dich nie verplappern.«
Syphilis war eine Krankheit der armen Leute, bei denen es keine Sauberkeit und keine Hygiene gab. Aristokraten oder reiche Leute erkrankten an so etwas nie oder sehr selten, es wäre undenkbar und ein Skandal. Die Krankheit war im zweiten Stadium so ansteckend wie die Pest.
Tristans Tränen rollten wieder. »Ich schäme mich fürchterlich.«
»Das ist keine Sache, für die man sich schämen muss«, sagte Mattias tröstend. »Sag mir, wo du das her hast.«
Tristan kämpfte mit sich. Lüge oder Wahrheit? Die Lüge gewann, na ja - halb und halb. »Das muss ich mir in Svartskogen geholt haben, als wir Korn und Lebensmittel nach dort brachten.«
Mattias nickte bedenklich. »Das ist möglich.«
»Ich möchte sterben.«
Mattias hatte wieder ihm gegenüber Platz genommen. »Jetzt hör zu, ich weiß genau, wie du dich fühlst, ich habe dasselbe erlebt.«
Tristans Augen wurden groß. »Du… du, Onkel Mattias?«
»Ja, und bei mir war es schlimmer als bei dir. Du weißt, das Onkel Kaleb und ich in einer Grube gearbeitet haben in unserer Jugend. Da hatten wir Flöhe, Läuse und alle Ungeziefer, die es gibt, und da habe ich mir auch die Syphilis eingefangen. Aber das haben wir mit der Arznei vom Eisvolk richtig geheilt.«
Ein vorsichtiges Lächeln erschien im Gesicht von Tristan. Dasselbe Lächeln wie Sol, dachte Mattias. »So, jetzt bekommst du eine ordentliche Pferdekur - sag mir, hast du noch an anderen Stellen an deinem Körper solche Geschwüre?«
»Nein, nein«, sagte er etwas zu schnell.
»Was ist mit deinem Geschlechtsteil?«
»Ja, an der Eichel, aber nur klein.«
Aha, dachte Mattias, das kann nur Gudrun gewesen sein, daher also weht der Wind. »Pass auf - du musst jeden Tag herkommen, hier bekommst du einen Saft, der dir bestimmt nicht schmecken wird, und dann gebe ich dir einen Topf mit Salbe, mit der musst du dich jeden Tag einreiben von Kopf bis Fuß. Das Zeug stinkt fürchterlich. Und dann gebe ich dir noch eine große Tüte mit Tee, den musst du dreimal am Tag nicht zu heiß trinken. Aber wir müssen vorher mit Kaleb reden, und auch Villemo muss es wissen, sie ist nicht geschwätzig.«
»Nein«, sagte Tristan, »Villemo verpetzt niemand.«
»Ich gehe mit nach Elistrand und bespreche alles mit Gabriella und Kaleb. Wir nehmen noch einen Ballen Linnen mit, denn wenn du dich eingekremt hast, musst du dich von Kopf bis Fuß mit dem Linnen verbinden. Auch muss ich die anderen untersuchen, ob du sie nicht angesteckt hast.«
»Das glaube ich nicht, seit ich das entdeckt habe, bin ich allen aus dem Weg gegangen.«
»Das war vernünftig.«
Schwer bepackt machten sich beide auf den Weg. Eine enorme Last war von Tristans Schultern gefallen. Spät am Abend, als alle zu Bett gegangen waren, nahm er die fremde Medizin. Von der Mixtur wurde ihm fast übel. Als er mit Salbe und Linnen fertig war, sah er aus wie eine Mumie, die er auf Abbildungen in der Schule gesehen hatte. Er und das ganze Zimmer stanken fürchterlich. Er biss die Zähne zusammen, aber die Tränen liefen vor Scham und Schmerz. Er fiel auf die Knie und bat seinen Herrgott um Vergebung für seine große Sünde. Christentum und heidnische Salbe und Hexentee, alles zu seiner Zeit.
5. Kapitel
Villemo war auf dem Weg nach Lindenallee. Was wollte sie mit allen Mixturen und Hexenpülverchen - ihre eigene Anziehungskraft würde ihn schon in ihren Bann ziehen, dachte sie übermütig. Vielleicht war er heute
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