Die Saga vom Eisvolk 10 - Wintersturm
Zorn. Eine Woge von Unlust ergriff sie, als sie daran dachte, was mit dem Zweibrunnenvolk geschehen würde. Aber jetzt war nichts mehr zu ändern.
Von Moberg kam der Vogt mit all seinen Männern, allen voran das Wollervolk. Sie hatten erfahren, dass zwei vom Eisvolk nach Nordost geritten waren, nach Romerike. Vielleicht suchten sie den verhassten Eldar Svartskogen und seine Beischläferin, Villemo Kalebstochter von Elistrand. Zwei Männer vom Wollerbauern, ihr einziger Wunsch war, Eldar und das Weib zu erschlagen für den Tod von Mons Woller und seinem Freund, nur deshalb ritten sie nach Romerike. Natürlich hatten einige dänischfreundliche vorgehabt, den Amtmann zu warnen, aber niemand wusste, wo er sich aufhielt. Am Waldrand wimmelte es von Aufrührern. Der Amtmann und der Zweibrunnenbauer wussten von alledem nichts. Der Schneefall ging in Regen über, gegen Abend wurde es wärmer, der Wind wehte hart, aber es war kein Frost mehr. Es war Tauwetter, und in den engen Passagen zwischen den Häusern pappte der Schnee. Die Nacht kam schnell. Der Hof war dunkel. Keiner sah die Männer, die rund um den Hof standen, blau gefroren und angespannt. Aus dem Wald kam ein Leiterwagen, er fuhr hinter die Hecke und wendete. Für den Amtmann wurde ein Fest gegeben. Nun hörte man es auch draußen, das Fest war in vollem Gange, die Stimmen wurden erregter, die Begleiter des Amtmanns waren schon betrunken, sie hatten den guten Wein doch etwas zu schnell getrunken. Sie begannen zu singen und zu grölen. Das Fest ging dem Ende zu, Villemo hatte den ganzen Abend schwer gearbeitet, sie war nervös, jetzt war die Zeit zum Handeln gekommen. Gegenüber der Hausfrau entschuldigte sie sich, sie sei unpässlich. Die Hausfrau dachte für sich, Gott sei dank, sie ist nicht schwanger.
»Ja, du kannst dich legen.« Sie betrachtete Merete, sie sah wirklich mitgenommen aus. Villemo war eine gute Schauspielerin, keiner konnte so elend aussehen wie sie. »Trage nur noch die Teller nach draußen, dann kannst du gehen.«
Sie erledigte es sofort, nahm den Schlüssel zum Keller an sich sowie ihre Kleidung, und schon war sie draußen. Eldar wartete ungeduldig.
»Wo, zum Teufel, bleibst du, hast du dich warm angezogen?«
»Ich habe alles.«
»Dann komm schnell, sie warten alle auf uns.«
Es galt wahrscheinlich den Männern, die rund um das Haus standen. Zuerst sollten die Armen weg vom Hof, bevor sie zuschlugen. Villemo sandte den Männern ein Danke zu für die Umsichtigkeit für die Schwachen, es war doch noch etwas Menschlichkeit in dieser Welt. Unten im Keller gab es nun viel Arbeit und Mühe, die unglücklichen Wesen verstanden nicht, was mit ihnen geschah. Eldar hatte lange mit Jens gesprochen, dem ging dann ein Licht auf, und er ließ sich willig fesseln und knebeln. Das machten die anderen freiwillig mit, langsam und erschreckt.
Einer setzte sich zur Wehr und schrie wie eine gestochene Sau, Eldar musste ihn niederschlagen.
»Das alles ist so unnötig«, sagte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Wäre es nicht besser, die Scheune in Brand zu setzten?«
Es kam ihr so vor, als wollte er die Wehrlosen gar nicht retten. Aber es war sicher die Aufregung der letzten Zeit. Glücklicherweise waren sie alle gewöhnt, hintereinander zu gehen. Er hatte ein langes Seil genommen und jedem am Handgelenk festgebunden, und so gingen sie in langer Reihe aus dem Keller.
»Warte«, flüsterte Villemo, »geh langsam mit ihnen zur Hecke, ich komme nach.«
»Ich kann doch nicht alles alleine machen«, zischte er. » Ja doch, die sind folgsam, ich brauche dein Messer.«
Ehe er begriff und protestierte, war sie verschwunden. Wie ein Hase lief sie zurück, steckte den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Tür. Kristine lag wie immer fest gebunden im Bett, sie schnitt ihre Fesseln durch. Sie zog ihr ein Kleid an, auch ihre Schuhe, und warf ihr die Bettdecke über die Schulter.
»Kannst du selbst gehen.«
Die junge Frau begann zu zittern. »Ich weiß es nicht, ich habe lange nicht mehr auf den Beinen gestanden.«
Sie versuchte es, sofort brach sie zusammen.
»Stütze dich auf mich, ich vermag dich nicht zu tragen«, flüsterte Villemo. »Weiter, schnell, die anderen warten.«
Sie schleppte Kristine mit, von Haus zu Haus, bis sie außerhalb des Hofes waren. Sie sah den langen Treck von Menschen im Dunklen.
»Hier ist Kristine, sie kann nicht gehen, kannst du sie tragen?«
»Wer soll das Mädchen mit dem schlimmen Bein stützen?«
»Ich, los weiter!«
Weitere Kostenlose Bücher