Die Saga vom Eisvolk 10 - Wintersturm
Villemo versuchte, dem Gestank, den das Mädchen ausströmte, zu entgehen.
»Villemo, knote sie an den Strick, die anderen werden sie zu zweit tragen.«
Die hilflosen Menschen fühlten, dass es nicht wie sonst immer zur Arbeit ging, sie zerrten und rissen an ihrer Fesselung, um loszukommen. Ein Schatten tauchte aus der Dunkelheit auf, Villemo erschreckte sich und wollte weglaufen, doch als er näher kam, erkannte sie ihn, es war der Mann, der den Wagen fuhr. So ein starkes Verlangen, sich selbst zu retten, dachte sie niedergeschlagen.
»In einem Moment will ich alles tun für die unglücklichen Menschen, und im nächsten vergesse ich sie und will nur noch meine Haut retten.« Sie wusste, es war ein reiner Reflex gewesen, der sie übermannt hatte. Mit einemmal war alles leichter. Sie war nicht mehr alleine verantwortlich, der Mann half mit, die Leute auf den Wagen zu schaffen. Einige sträubten sich energisch, auf den Wagen zu steigen, doch Eldar und noch ein Mann hoben sie einfach hoch und ließen sie in den Wagen fallen, dann war alles fertig zur Abfahrt. Die Pferde zogen an, sie waren schnell im dunklen Wald und kamen auf eine Lichtung, Männer traten ihnen entgegen. Der Wagen hielt. Ein Mann trat vor »Eldar Svartskogen?«
»Ja, aber…«
»Nein, du kannst nicht mit uns, du hast deinen Auftrag, halt dich daran, du hast den Weg zur Alm genau beschrieben bekommen, halte dich daran, das Mädchen bleibt bei dir.«
Der Mann, der den Wagen bis hierher gefahren hatte, gab Eldar die Zügel in die Hand und stieg vom Wagen.
»Kindermädchen spielen«, zischte er, auf einer Alm sitzen und eine verdammte Herde Idioten hüten wie Schafe, und die anderen hatten die Ehre, für Norwegen zu kämpfen.
»Ich denke, es ist eine größere Tat, Menschen zu retten, als sie zu erschlagen«, sagte Villemo.
»Halts Maul«, fauchte er. Villemo zog sich zusammen wie eine Schnecke, jetzt hatte sie die Aufgabe, auf alle zu achten, die Armen waren wie paralysiert, was sie hier alles erleben mussten.
Die Erde,l die sich unter dem Wagen bewegte, die Kälte, der Wald, alles war für sie fremd.
Kristine hatte sich an Villemo geschmiegt, sie legte den Arm um sie. Dumpfe Rufe schallten durch den Wald: »Die Schlacht kann beginnen! Kämpft für Norwegen!« Rund um Zweibrunnen flammten Feuer auf. Der Vogt sah die Feuer, er stand mit seinen Männern auf einer Anhöhe.
Dann zündeten sie ihre eigenen Feuer an und gaben dadurch das Zeichen für alle Männer des Vogts in der Runde. Lasst keinen dieser Teufel am Leben.
12. Kapitel
Der Amtmann hatte einen Körper, der alle Anzeichen einer Fettsucht hatte. Er atmete schwer, als er in der guten Stube auf dem Hof von Zweibrunnen saß, in der fetten Hand ein Weinglas.
Wie die meisten Amtmänner war er Deutscher, nur wenige waren Norweger. Eine tiefe Falte bildete sich auf seiner Stirn - wo hatte das kleine feine und junge Dienstmädchen den Wein? Er hatte gedacht, er könnte mit ihr eine Verabredung treffen, dass er sie später in der Nacht in ihrem Zimmer besuchte, oder noch besser, dass sie in sein Zimmer käme. Verflucht auch, das war beschwerlich, ihr Zimmer zu finden. Aber sie war verschwunden. Seine Frau war diesmal nicht mit, Gott sei Dank nicht, die eifersüchtige Ziege, immer sah mit lauernden Blicken, wenn er ein Glas Wein mehr trank, als sie ihm erlaubte. Oder er sah allzu lüstern hinter den Frauen und Mädchen her. Es war wunderschön hier auf Zweibrunnen. Niemals musste man hier sparen an Essen und Trinken. Man war allerdings sehr isoliert in dieser Provinz, wie er Norwegen nannte.
Widerspenstige und mürrische Menschen, ohne Kultur. Der Bauer war ein guter Freund, reich, weitsehend und loyal gegenüber der Obrigkeit. Es war eine verdammt kalte Reise nach hier gewesen. Dass dieses Volk es vermochte, ein ganzes Leben in diesem Land zu bleiben, das konnte er nicht verstehen. Wenn seine Dienstzeit vorbei war, würde er ins Deutsche Reich zurückgehen, bedeutend reicher, als er nach Norwegen kam, man musste ja vorsorgen, um für die Zeit nach der Pensionierung in Deutschland standesgemäß leben zu können. Von seiner Frau würde er sich trennen, sie konnte hier bleiben in dem verdammten Land, sie gehörte ja hierher.
Am Fenster stand noch ein Sohn vom Zweibrunnen, Syver. Er wies zum Fenster.
»Da brennt ein Feuer am Österberg, Vater.«
»Ja,so«, murmelte der Nasenbär, »einige arme Teufel, denen die Nacht zu kalt ist.«
»Das Wetter ist umgeschlagen, es taut. Aber der Wind
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