Die Saga vom Eisvolk 10 - Wintersturm
treibt den Schnee vor sich her, der Schnee kommt gar nicht auf den Boden.«
»Ja, danke, wir hören es«, sagte sein Vater.
»Ein ordentlicher Wintersturm«, grunzte der Amtmann, »schön, hier im Haus zu sein.«
Auf dem Bock des Wagens saß Eldar und zügelte die Pferde. Er sah zurück, sah ein paar helle Flecken am Himmel. Es waren die Feuer. Villemo hatte den Schwachen die Knebel entfernt, sie stammelten alle durcheinander. Villemo hatte die Bettdecke um sich und Kristine gelegt, sie stand auf und drehte die Schwachen um, sodass sie mit dem Rücken gegen den Wind saßen. Er fuhr weiter.
Einige Zeit danach murmelte er: »Warum soll man denen helfen? Die haben es noch nicht mal nötig, Danke zu sagen, im Gegenteil!«
Villemos Gesicht war steif von dem kalten Wind, deshalb sprach sie etwas undeutlich. »Gute Taten sind nicht immer von Erfolg beschert.«
»Sie finden es selbstverständlich, dass sie betreut werden.«
»Ja, so ist es mit den guten Taten, aber es kommt die Zeit, in der man das Resultat erkennt und fühlt. Die meisten guten Taten sind rein egoistisch, nur um sich edel und wertvoll zu fühlen.«
»Du bist nicht richtig im Kopf«, fauchte er. »Du kannst sogar im Schneesturm dozieren.«
Hier oben in den Bergen schneite es weiterhin leicht. Der Wind blies den Eisschnee in die Haare, den Nacken, von unten blies der Wind durch die Spalten im Boden unter die Röcke der Frauen.
»Wir sind bald da.«
Eldar war total verwirrt und persönlich gedemütigt, dass er diese Idioten in der Gegend herumfahren musste, anstatt mit dem Gewehr oder mit dem Schwert den verdammten Zweibrunnen und die Sklaventreiber niederzumähen. Er war von Anbeginn der Aufruhrbewegung dabei gewesen, endlich hätte er zuschlagen können gegen die dänischen Herren. Er wusste nicht, dass sein Kommandant aus seiner Heimatgemeinde ihn aus dem Kampf heraushalten wollte. Er wusste, dass Eldar zügellos und hemmungslos wäre in seiner Begierde, Blut zu sehen, koste es was es wollte, wäre er bei dem Kampf dabei.
Hinten im Wagen saß Villemo, sie sah mit träumenden Augen auf die Gestalt auf dem Kutschbock. Manche schlechten Seiten hatte er gewiss, aber sie wusste mit ihrer ganzen Seele, dass er ein guter Mensch war, er wurde nur unrecht behandelt in seinem Leben. Aber Villemo mit ihrer grenzenlosen Liebe wollte ihn auf den rechten Weg bringen. Oben auf der Höhe hatten die Feuer einen schweren Stand gegen Wind, Schnee und peitschenden Regen. Die Sicht war schlecht. Manche der Gruppen mussten raten, ob das ein Feuer war oder nicht. Die Nacht war nicht gut gewählt. Außerdem brachte ein Mann Unruhe unter die Männer der Aufrührer, er wollte den Vogt mit seinen Männern gesehen haben, zwar undeutlich, im Schneetreiben, aber die Angst und die Sorge liefen durch die Reihen. Sie waren auf dem Weg nach Zweibrunnen, aber sie fanden ihn nicht, sie liefen daran vorbei. Nicht alle Gruppen hatten die Feuer gesehen, die Männer warteten. Der Vogt hatte es leicht, einige Gruppen liefen ihm genau vor die Füße, und er schlug natürlich zu. Die einzelnen Gruppen flüchteten Hals über Kopf in alle Himmelsrichtungen. Der Aufstand brach zusammen. Es gelang hier und da, einige Männer des Vogts zu erschlagen. Aber das Resultat war die schlecht gewählte Nacht. Die Aufrührer rund um Zweibrunnen blieben isoliert, ihr Kampf fand keine Unterstützung.
»Da ist die Almhütte«, rief Eldar über die Schulter zu Villemo.
»Gott sei gelobt«, flüsterte sie. Er half ihr vom Wagen.
»Eigentlich bin ich nicht blutdürstig, aber ich hoffe, dass das Volk von Zweibrunnen einen ordentlichen Schlag bekommt, diesmal.«
Villemo führte die Prozession ins Haus.
»Du machst es anderen nicht leicht, den Humor zu behalten. Du musst versuchen, mit mir auszukommen, ich bin enttäuscht von dir, Eldar. Das ist wahrscheinlich nicht dasselbe.«
Villemo wurde von ihm unterbrochen. »Du und ich, wir haben jetzt genug Zeit, weil ich nicht mitkämpfen konnte. So kann ich dich zumindest lieben.«
»Eldar, du setzt Liebe gleich einer Racheaktion.«
»Liebe«, fauchte er, während er ins Haus trat, »musst du immer so gefühlvoll sein. Hör zu, ich will dich haben, jetzt wird es geschehen, denn jetzt sind wir alleine mit den Idioten…«
»Sag nichts mehr, ich will es nicht hören. Ja, wir brauchen ein ausführliches Gespräch, wir werden in der Nacht Zeit dafür haben.«
Sie ging nach draußen, um Kristine zu holen. Sie war schon vom Wagen gestiegen und klammerte sich an
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