Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
einen gut gezielten Kre-An-Sor-Schlag den Kehlkopf.
»Ihr wagt es, mir zu trotzen, Sterbliche?«, dröhnte die Stimme des finsteren Herrschers vom Thron herab. »Narren! Ihr entkommt mir nicht.« Eine fast beiläufige Handbewegung An-Rukhbars schleuderte Naemy und Vhait an die rückwärtige Wand des Thronsaales. Mit einem Geräusch, das an berstende Knochen erinnerte, prallten ihre Körper gegen den harten Stein und rutschten zu Boden, wo sie benommen liegen blieben.
»Ich, ich allein habe die Macht!« Ein feuriger Ring erschien über dem Thron und die grüne Aura An-Rukhbars verwandelte sich urplötzlich in einen rasenden Feuersturm. Rings um ihn loderten rauchlose Flammen bis zur Decke des Thronsaales hinauf, und eine Hitze, die aus den tiefsten Abgründen der Finsternis zu kommen schien, wallte Sunnivah entgegen. Die Macht des finsteren Herrschers übertraf alles, was sie je gesehen hatte.
An-Rukhbar stand nun hoch aufgerichtet auf dem Thron und breitete die Arme aus, um die gewaltigen Energieströme aus seiner Dimension zu empfangen. »Ah, Macht! Macht!«, rief er mit wollüstiger Stimme, während die Flammen sein Gewand verzehrten und er sich allmählich in eine fürchterliche Erscheinung verwandelte, deren verschwommene Umrisse auf eine nahende Katastrophe schließen ließen.
Unfähig zu fliehen, fühlte Sunnivah, wie sie von dem gewaltigen Feuersturm angezogen wurde. Unaufhaltsam glitt sie über den glatten Steinfußboden auf die fürchterliche Gestalt An-Rukhbars zu, dessen Anblick nun nichts Menschliches mehr an sich hatte.
»Sieh hin, Druide!«, rief er über das Brausen des Sturms hinweg und in den Tiefen seiner Augen züngelten blutrote Flammen. Dann ruckte sein Kopf nach hinten, als hätte man ihm das Genick gebrochen, und sein grausames urgewaltiges Lachen ließ klaffende Risse durch die Wände des Thronsaales rasen. »Sie kommt zu mir, deine Auserwählte. Mein Wille ist ihr Befehl. Und mein Wille ist ihr Tod.«
»Schwertpriesterin, das Tor!« Sunnivah hörte Anthork rufen, doch es war zu spät. Sie konnte sich nicht mehr bewegen. Gefangen im feurigen Blick An-Rukhbars fühlte sie sich wie gelähmt. Da löste sich plötzlich ein kleiner Gegenstand aus der Hand des Druiden, flog im hohen Bogen auf sie zu und fand wie von selbst den Weg in ihre Hand. Kaum hatte er Sunnivah berührt, als sie eine vertraute Wärme zwischen den Fingern verspürte. Das Amulett! Mit einer verzweifelten Willensanstrengung schlossen sich ihre Finger um den Stein, doch da hatte der Sog des Feuersturms schon ihr Gewand erfasst und zerrte sie mitten in die Flammenhölle hinein.
Über den Gipfeln der Valdor-Berge kündeten bereits die ersten zarten rosa Wolken vom Beginn des Morgens. Das rasch zunehmende Tageslicht gab den Blick auf ein Schlachtfeld frei, das es in Thale seit mehr als fünfundzwanzig Sommern nicht mehr gegeben hatte. Viele hundert Tote und Verwundete waren zu beklagen, und während die Menschen auf der Ebene vor der Festungsstadt schon damit begonnen hatten, die Toten auf großen Scheiterhaufen zu verbrennen, ging die Schlacht um die innere Festung mit unverminderter Härte weiter.
Unweit der Mauer zur inneren Festung kniete Rojana im Schutz eines umgestürzten Händlerkarrens und hielt einem sterbenden Jungen die Hand. »Ich… habe ihn nicht enttäuscht… nicht wahr?« Nur mühsam gelang es dem Halbwüchsigen, seine Augen offen zu halten.
»Nein, Hajun«, sagte Rojana. Sie schluckte die Tränen herunter und lächelte tapfer. »Du hast gekämpft wie ein Mann.
Kjelt ist sehr stolz auf dich.« Sanft streichelte ihre Hand die Wange des Jungen. Hajuns Atem ging flach. Dunkles Blut sickerte aus seinem Mundwinkel. Ein letztes Mal sammelte er seine Kräfte und blickte Rojana flehend an. »Sagt ihm… bitte, sagt ihm… dass… dass ich… damals auf der Wache… wirklich nicht einschlafen wollte.« Mit seinem letzten Atemzug presste er die Worte hervor. Dann begannen seine Augenlider zu flattern und sein Körper erschlaffte.
Rojana schluchzte, schloss die Augen des Jungen und starrte traurig zum Himmel hinauf. Sie hatte Hajun sehr gern gehabt. Trotzdem hatte sie nicht geahnt, wie wichtig dem Jungen Kjelts Anerkennung war. Kjelt! Ach, Kjelt! Sie wusste ja nicht einmal, ob ihr Gefährte noch am Leben war. Irgendwann im Laufe der Nacht hatten sie sich aus den Augen verloren. Hunderte waren seitdem gestorben. War der Preis für die Freiheit wirklich so hoch? Plötzlich wünschte sich Rojana, sie hätten
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