Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
streckte ihr auffordernd die Hände entgegen. Sie war so schön und freundlich wie in jener Nacht, als sie in ihrer Kammer erschienen war, und Ilahja fühlte sich sofort zu ihr hingezogen. Froh, nicht mehr allein zu sein, ergriff sie die ausgestreckte Hand der Frau und folgte ihr. Doch plötzlich hielt sie inne. Sie konnte doch nicht einfach fortgehen. Sunnivah brauchte sie! Abrupt riss sie sich los und lief einige Schritte zurück. Dann blieb sie stehen. Wo war ihre Tochter? Wo war Tassea?
»Du musst mit mir kommen.« Die Frau war herangetreten und legte ihr tröstend den Arm um die Schultern. »Meine Herrin erwartet dich bereits.«
»Aber meine Tochter…«, begann Ilahja verzweifelt.
»Deine Aufgabe in deiner Welt ist beendet«, unterbrach sie die Frau. »Du kannst nicht bleiben. Du würdest Sunnivah nur in Gefahr bringen.«
Verständnislos blickte Ilahja die Frau an. Wie konnte sie so etwas sagen, schließlich war sie Sunnivahs Mutter und liebte ihr Kind.
»An-Rukhbar würde sie durch dich leicht finden und das dürfen wir nicht zulassen«, erklärte die Frau und schob Ilahja nachdrücklich vor sich her. »Sunnivah hat noch eine wichtige Aufgabe zu erfüllen.«
Doch Ilahja war noch immer nicht bereit zu gehen und wehrte sich heftig. Was war mit Tassea, Tha-Ury und Kjelt? All diesen geliebten Menschen würde es großen Kummer bereiten, wenn sie einfach fortging.
»Ilahja«, drängte die Frau. »Du kannst dich nicht gegen dein vorbestimmtes Schicksal wehren und außerdem…«, sie machte eine Pause und deutete nach vorn, »… wirst du dort schon sehnlichst erwartet.«
Ilahja konnte sich nicht vorstellen, wer sie in diesem Nebel erwarten sollte. Neugierig hob sie ihren Blick und erstarrte. Unmittelbar vor ihr öffnete sich der Eingang zu einem leuchtenden Tunnel. Als sie genauer hinsah, erkannte sie, dass sich in dem silbernen Licht undeutlich die Gestalten von zwei Menschen bewegten. Doch erst als die beiden an das Tor des Tunnels traten, vergaß Ilahja all ihre Bedenken und trat in das Licht. Wie lange hatte sie sich danach gesehnt.
»Mutter, oh Mutter«, rief sie überglücklich und schloss ihre Mutter und ihre Schwester fest in die Arme.
Das rothaarige Mädchen atmete nicht mehr.
Fassungslos hörte der Riesenalp auf, trockene Äste aus dem Unterholz zu brechen, mit denen er das Feuer die ganze Zeit am Leben erhalten hatte.
SIE war fort!
Kein Feuer der Welt würde ihren Körper je wieder erwärmen, und die Träume, die ihm vor vielen Mondläufen seinen Lebensmut zurückgegeben hatten, würden nun niemals Wirklichkeit werden.
Er hatte keine Tränen, doch der Anblick des toten Mädchens zerriss ihm fast das Herz. Er musste hier weg.
Traurig breitete er seine mächtigen Schwingen aus und floh in die Nacht, während die runden, leuchtenden Scheiben der Monde To und Yu sich wieder aus dem finsteren Schatten, der beide für wenige Augenblicke völlig verdeckt hatte, hervorschoben und der Welt ihr silbernes Licht zurückgaben.
Das Mondlicht war zurückgekehrt und der Nebel fast verschwunden.
Ilahjas Augen waren geschlossen. Ein dünnes Lächeln lag auf ihren Lippen, doch sie atmete nicht mehr.
Tassea breitete eine Decke über Ilahjas leblosen Körper und setzte sich an das erlöschende Feuer. Schweigend starrte sie in die Glut und quälte sich mit Selbstvorwürfen.
Naemy stand auf der anderen Seite des Feuers. In ihren Armen lag das schlafende Kind und sie wiegte es sanft hin und her. Das winzige Mädchen tat ihr Leid und sie fragte sich, ob das so zerbrechlich wirkende Kind der Aufgabe, die das Schicksal für es bereithielt, gewachsen sein würde.
Sie seufzte und sah zu Tassea hinüber. Das grenzenlose Leid im Blick der Heilerin rührte sie, doch sie fand keine Worte, die sie trösten konnten.
Plötzlich hatte sie das Gefühl, der Heilerin erklären zu müssen, warum sie hier war. Sie ging um das Feuer und setzte sich zu ihr, aber Tassea schien sie gar nicht zu bemerken.
»Deine Freundin war sehr tapfer«, sagte Naemy leise. »Doch sie hat ihre Aufgabe erfüllt und musste gehen.«
Sie erhielt keine Antwort, hoffte aber, dass Tassea ihr zuhörte. »Eine Botin der Göttin kam am Morgen zu mir und sagte, dass dieses kleine Mädchen dringend meine Hilfe benötigt«, erklärte Naemy weiter. Vorsichtig zog sie die Decke über der Schulter des Kindes ein wenig zur Seite.
»Sieh selbst«, forderte sie die Heilerin auf.
Trotz des schwachen Mondlichts war das kleine Muttermal auf dem
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