Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
besonders tragisch fand.
»Ihr solltet Euch besser darauf vorbereiten, dass es in den Heimatorten dieser Frauen etwas unruhig werden könnte«, riet der oberste Richter und klopfte Tarek kameradschaftlich auf die Schulter.
Mit einer kurzen, schnellen Drehung entfernte Tarek die Hand des Sequestors von seiner Schulter und sah ihn ärgerlich an. »Ihr braucht mich nicht auf die Folgen Eures rücksichtslosen Umgangs mit Menschenleben hinzuweisen«, antwortete er gereizt. »Es wäre ja nicht das erste Mal, dass es deshalb in den Dörfern Schwierigkeiten gibt. Aber seid unbesorgt, damit werden meine Krieger schon fertig.« Schwungvoll drehte er sich um und verließ das Arbeitszimmer. Dieser Mann widerte ihn an.
Auf dem Rückweg in seine Gemächer beschäftigte ihn nur ein Gedanke. Wurde in der vergangenen Nacht wirklich kein Kind mit dem Mal der Zwillingsmonde geboren? Oder hatte er es nur nicht gefunden? In seinen Gedanken hörte er noch einmal die Worte An-Rukhbars: »Ihr werdet für Euer Versagen bezahlen, wenn Ihr das Kind nicht zu mir bringt.«
Doch wo sollte er noch suchen?
Wo könnte man ein solches Kind versteckt halten?
Nachdenklich durchschritt er die langen Gänge der gewaltigen Festungsanlage und legte dabei den weiten Weg zu seinem Arbeitszimmer in erstaunlich kurzer Zeit zurück.
In der Hoffnung, noch eine Weile ungestört nachdenken zu können, suchte er jedoch zunächst seine privaten Räume auf.
Die schwere Eichentür zu seinen Gemächern stand einen Spalt offen und ein angenehm frischer Windzug streifte sein Gesicht, als er sein Schlafzimmer betrat.
Zu unruhig, um sich hinzusetzen, trat Tarek an eines der weit geöffneten Fenster, schloss die Augen und genoss für einen Moment den Duft des Frühsommers in der frischen Bergluft. Als er sie wieder öffnete, sah er in der Ferne die letzten Strahlen der untergehenden Sonne hinter den sich hoch auftürmenden Wolken am Ylmazur-Gebirge verblassen. Ein Gewitter zog auf.
Wer konnte ihm seine Fragen beantworten?
Nicht zum ersten Mal bedauerte er, dass An-Rukhbar nach seinem Sieg über die Gütige Göttin alle Seher des Landes hatte hinrichten lassen.
Soweit ihm bekannt war, gab es im ganzen Land niemanden mehr mit solchen Fähigkeiten. Niedergeschlagen sah Tarek auf die gewaltige Festungsanlage hinab. Ohne besonderes Interesse beobachtete er die Menschen in den engen Gassen und ließ seinen Blick gelangweilt über die Festungsmauern des inneren Verteidigungsrings schweifen, bis er schließlich an den dicken, weiß gekalkten Mauern eines großen Gebäudes hängen blieb.
Der Kerker von Nimrod!
Tarek hatte schon öfter daran gedacht, ihn zu betreten und nachzusehen, ob sich unter den Gefangenen nicht doch noch ein Seher befand. Das war ihm bisher jedoch so unwahrscheinlich erschienen, dass er den Gedanken jedes Mal wieder verworfen hatte.
Diesmal nicht. Entschlossen verließ er das Zimmer und machte sich auf zum Kerker.
Sein Weg führte ihn durch schwach erleuchtete und fast menschenleere Gänge in die finstersten Gewölbe der Festungsstadt. Einen Weg, den schon so viele gegangen waren, die das Sonnenlicht niemals wieder erblicken würden. Nicht zuletzt deshalb war der Kerker von Nimrod im ganzen Land gefürchtet. Auch Tarek betrat ihn nur äußerst ungern. Doch wenn er eine Antwort auf seine Fragen erhalten wollte, hatte er keine andere Wahl.
Lange bevor er die gewundene Treppe zu den Kellergewölben hinunterging, schlug ihm ein so unangenehmer Geruch von Schimmel und faulem Wasser entgegen, dass er sich angeekelt die Hand vor Mund und Nase hielt. Der Gestank verschlimmerte sich, je weiter er die Treppe hinabstieg. Gleichzeitig wurde es feucht und kalt. Tarek hielt sich noch immer die Hand vor den Mund, doch das half hier nicht viel. Endlich hatte er das Gewölbe erreicht, in dem sich die Zellen befanden. Vor dem vergitterten Eingang gab es eine kleine Wachstube und eine Kammer für den Kerkermeister. Tarek durchquerte die Wachstube ohne anzuklopfen und achtete nicht auf die vier ungepflegt wirkenden Soldaten, die erschrocken aufsprangen und ihre Spielkarten achtlos auf den Tisch fallen ließen. Auch die Kammer des Kerkermeisters betrat er ohne ein Zeichen. Dieser war jedoch in seinem Stuhl so fest eingeschlafen, dass er den obersten Kriegsherrn überhaupt nicht bemerkte.
Ein harter Tritt gegen den Stuhl ließ den Schlafenden verwirrt aufspringen. »Kerkermeister, ich habe nicht viel Zeit«, erklärte Tarek knapp. »Seid Ihr so wach, dass Ihr mir
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