Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
sich um ihre Gesundheit. Auch um Xara machte sie sich große Sorgen. Doch in der Dunkelheit war es völlig aussichtslos, nach ihr zu suchen. Brox lag noch immer leise winselnd neben ihr und bewegte sich nur schwach. Es brach ihr fast das Herz, als sie sah, wie ihr geliebter Hund litt, doch sie musste sich zuerst um Ilahja und das Ungeborene kümmern.
Der Riesenalp bewachte Ilahja noch immer.
Was suchte er hier? Und warum hatte er Ilahja geholfen?
Tassea fürchtete sich vor dem unbekannten Tier, das mit seinen dunklen ausdruckslosen Vogelaugen jede ihrer Bewegungen verfolgte, als sie sich ihm vorsichtig näherte.
Neben dem Feuer hielt Tassea an und sah sich unschlüssig um.
Würde der Vogel sie zu Ilahja gehen lassen?
Zögernd machte sie einen weiteren Schritt auf Ilahja zu. Daraufhin erhob sich der Riesenalp und wich ein wenig von dem Mädchen zurück.
Selbst im schwachen Licht des heruntergebrannten Feuers erkannte Tassea, dass Ilahja in den Wehen lag.
Ohne weiter auf den Riesenalp zu achten eilte die Heilerin zu dem Mädchen und schloss hastig deren Mantel, um sie vor der nächtlichen Kälte zu schützen. Dann zog sie ihren eigenen Mantel aus und legte ihn zu einem Kissen zusammen, das sie behutsam unter Ilahjas Kopf schob.
Obwohl es kalt war, glänzten Schweißperlen auf Ilahjas Stirn. Die blassen Hände des Mädchens waren zu Fäusten geballt und ihr Körper wurde immer wieder von heftigen Krämpfen geschüttelt. Sie hatte tatsächlich Wehen! Das Kind würde bald kommen!
Tassea stand auf und lief ein kurzes Stück den Weg hinunter. Vor einem dichten Gebüsch, in dessen Schutz sich das verängstigte Pony geflüchtet hatte, machte sie Halt und spähte in die Dunkelheit dahinter. Das Pony war noch da. Sie löste seine Zügel gerade so weit von den dornigen Ästen, dass es ungehindert fressen konnte, und nahm ihm das Gepäck vom Rücken. Dann ergriff sie ihr Bündel und eilte wieder zu Ilahja hinüber.
In der Zwischenzeit hatte der Riesenalp damit begonnen, mit seinem Schnabel trockene Äste aus dem Unterholz zu brechen, um das heruntergebrannte Feuer neu zu entfachen.
Tassea nahm eines ihrer Instrumente zur Hand und horchte Ilahjas geschwollenen Leib mit einem langen trichterförmigen Rohr ab. Dabei warf sie einen kurzen Blick zur Seite und sah im Zwielicht am äußersten Rand des Feuerscheins die schlanke Frau wieder aus dem Wald treten. Sie hatte sich nicht getäuscht. Es war eine Nebelelfe.
Als sie näher kam, erkannte Tassea, dass sie ein großes Bündel auf den Armen trug. Einen Mantel, in den etwas Schweres eingewickelt war.
Xaras Mantel!
Plötzlich war ihr, als lege sich ein eiserner Ring um ihre Brust, der ihr langsam die Luft abschnürte. Gütige Göttin, lass es nicht wahr sein, betete sie und blickte flehend zum Himmel hinauf. Doch als die Frau das schwere Bündel auf der anderen Seite des Feuers ablegte und Tassea die dunklen Locken erkannte, die unter dem wollenen Mantel hervorschauten, wusste sie, dass sie Recht hatte.
»Ist sie… tot?«, presste Tassea mit leiser Stimme hervor und wusste selbst, wie überflüssig diese Frage war.
Die Nebelelfe senkte ihren Blick und nickte stumm.
Xara war tot.
Ein heftiger Schmerz wütete in Tasseas Brust und ihr Herz krampfte sich zusammen. In welch einer grausamen Welt sie doch lebte! Einer Welt, in der die Unschuldigen das meiste Leid ertragen mussten. Xara war doch noch so jung. Warum musste gerade sie so qualvoll sterben? Ein lang gezogenes Stöhnen von Ilahja riss sie aus ihren Gedanken und sie wandte sich sofort dem Mädchen zu. Die Krieger hatten Xara getötet. Ilahja und das Kind würden sie nicht bekommen.
Entschlossen schluckte sie die Tränen hinunter und wandte sich an die unbekannte Frau am Feuer. »Das Mädchen erwartet noch in dieser Nacht ein Kind und ich brauche dringend Eure Hilfe, Nebelelfe«, sagte sie.
Naemy hob erstaunt den Blick. Sie war davon ausgegangen, dass auch das andere Mädchen tot war. Aufmerksam betrachtete sie Ilahja mit ihren mandelförmigen Augen. Und endlich wusste sie, warum die Botin sie hierher gerufen hatte.
Wortlos stand sie auf, nahm Xaras leblosen Körper noch einmal auf die Arme und legte ihn ein Stück von der Feuerstelle entfernt ins Gras. Nachdem sie ihre Hände in einem nahen Bach gesäubert hatte, kehrte die Nebelelfe zur Heilerin zurück.
»Mein Name ist Naemy«, sagte sie knapp. »Wie kann ich dir helfen?«
»Sie ist bewusstlos«, erklärte Tassea. »Aber sie muss aufwachen und mithelfen,
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