Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
Pferdehufe so stark aufgewühlt, dass er die dunkle Blutspur erst entdeckte, als er die feuchte Erde genauer untersuchte. Das Blut war bereits geronnen und die Spur im schwachen Licht der aufgehenden Sonne nur schlecht zu erkennen. Dennoch gelang es Vhait, ihr zu folgen. Fast wäre er dabei über einen der Wachtposten gestolpert, der, von einem halben Dutzend Pfeilen getroffen, im hohen Gras am Waldrand lag.
Nicht weit entfernt fand er den Leichnam des zweiten Kriegers, dessen grausam zugerichteter Körper den Schluss zuließ, dass sein Tod längst nicht so gnädig gewesen war.
»Was machen wir jetzt?« Kerym war herangetreten und blickte betroffen auf seine toten Kameraden. Obwohl er drei Sommer älter war als sein Hauptmann, war der Angriff auf das Rebellenlager erst sein zweiter Einsatz gewesen. Der Anblick des verstümmelten Leichnams war für ihn deshalb nur schwer zu ertragen und er wandte sich schauernd ab.
Vhait antwortete nicht sofort. Schweigend drehte er sich um und ging zurück in den Wald. Hier konnten sie nicht bleiben. Die Wachtposten waren zwar schon seit einiger Zeit tot, aber es war gut möglich, dass sich die Rebellen noch ganz in der Nähe befanden.
»Wir müssen versuchen, uns irgendwo neue Pferde zu besorgen«, sagte er und begann seinen ledernen Harnisch zu öffnen. »Unsere Rüstungen lassen wir hier und verbergen sie im Unterholz. Sie würden uns nur behindern.«
Die wenigen Sachen waren schnell versteckt. Ohne Waffen und nur mit ihren erdfarbenen Tuniken bekleidet sahen die beiden jungen Krieger fast wie einfache Landbewohner aus und Vhait hoffte, dass sie dies vor weiteren Angriffen schützen würde.
Sorgfältig verwischten sie ihre Spuren und machten sich auf den Weg nach Süden.
Als die Sonne aufging, gelangten Vhait und sein Begleiter endlich auf einen breiten Weg. Tief ausgefahrene Wagenspuren in dem weichen Waldboden deuteten darauf hin, dass er häufig benutzt wurde, und Vhait hoffte, dass sie bald ein Dorf erreichen würden.
Die Männer waren übermüdet und erschöpft. Quälender Hunger machte ihnen zu schaffen und die Strapazen des Vormittags hatten ihre letzten Kraftreserven verbraucht. Da weder Kerym noch Vhait wussten, in welche Richtung sie sich nun wenden sollten, setzten sie sich an den Wegrand und warteten.
»Dort entlang?« Müde deutete Vhait den Weg hinauf. »Oder dort?« Er zeigte in die andere Richtung.
Kerym antwortete ihm nicht sofort. Er lehnte mit dem Rücken an einem Baumstamm und hatte die Augen geschlossen. »Warum warten wir nicht hier, bis jemand kommt? Der wird schon wissen, wohin wir gehen müssen«, murmelte er schläfrig.
»Weil diese Gegend hier so abgelegen ist, dass wir wahrscheinlich verhungert sind, bevor wir jemandem begegnen«, antwortete Vhait gereizt und strich mit den Fingern nachdenklich über seinen sorgfältig gestutzten Kinnbart. Dann stand er auf und stieß Kerym sanft mit dem Stiefel in die Seite. »Steh auf«, sagte er und deutete nach links. »Wir gehen dort entlang.«
An diesem Morgen erhob sich Sunnivah zitternd und mit steifen Gliedern. Sie trug keinen Mantel und ihr dünnes Gewand war feucht und klamm. Es bot ihr keinen Schutz gegen die Kälte, die sich längst in ihren Knochen festgesetzt hatte.
Sunnivah war sicher, dass die Priesterinnen nach ihr suchten, doch hier würden sie sie niemals finden.
Niemand außer ihr kannte diesen Ort. Nicht einmal Kyany.
Ich werde nicht fortgehen! Sie können mich nicht dazu zwingen! Sunnivah griff nach einem Stein und schleuderte ihn aufgebracht in die Mitte des Weihers. Das klatschende Geräusch scheuchte einen Purpurreiher auf, der im seichten Wasser gestanden und regungslos auf Beute gewartet hatte. Mit lautem Geschrei erhob er sich in die Lüfte und verschwand zwischen den Baumkronen. Sunnivah starrte ihm hinterher, bis er nicht mehr zu sehen war. Als sie den Blick wieder dem Weiher zuwenden wollte, erstarrte sie. Etwas hatte sich verändert! Ganz deutlich spürte sie den Blick eines verborgenen Augenpaares auf sich ruhen.
Jemand beobachtete sie!
»Kyany?«, fragte sie zaghaft. »Bist du da?«
Nichts rührte sich. Sunnivah stand auf und sah sich aufmerksam um. Dunkelgrünes Laub, das zum Teil schon die Farben des Herbstes trug, umgab sie von allen Seiten. Auf der spiegelglatten Wasserfläche des Weihers schwamm einsam eine kleine braune Ente und hoch oben in den Bäumen turnten zwei Eichhörnchen über die dünnen Äste.
Alles war friedlich.
Sie musste sich getäuscht
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