Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
Gesichtsausdruck bereitete ihr großen Kummer, doch jetzt war nicht die richtige Zeit für lange Erklärungen, denn draußen warteten die Priesterinnen, um Sunnivah als eine der Ihren zu begrüßen.
»In einer der Visionen reicht dir ein Krieger sein Schwert. Das bedeutet, dass die Göttin dich als ihre Schwertpriesterin erwählt hat.«
»Ihre Schwertpriesterin?«, fragte Sunnivah verwirrt.
»Die Göttin erteilt dir damit eine ehrenvolle, aber schwierige Aufgabe, mein Kind«, erklärte Banya-Leah und bemühte sich um eine feste Stimme. »Wie du weißt, haben wir uns zu einem Leben in Bescheidenheit und Demut verpflichtet und der Gebrauch von Waffen ist uns verboten. Dennoch kann die Göttin in schweren Zeiten eine oder mehrere aus unseren Reihen erwählen, die das Schwert für sie tragen soll.« Sie sah Sunnivah ernst an. »Du bist die Erste, die diese Aufgabe erhält, Sunnivah. Niemals zuvor hat es eine Schwertpriesterin gegeben.«
Der Ausdruck in Sunnivahs Augen brach ihr fast das Herz. Oh Göttin, warum ausgerechnet meine Tochter, dachte sie verbittert und ließ sich in einer plötzlichen Anwandlung von Zärtlichkeit dazu hinreißen, Sunnivah in die Arme zu schließen. Für einen kurzen Moment war sie nicht mehr die Priesterinnenmutter, sondern nur noch eine Mutter, die ihr geliebtes Kind schon bald verlieren würde.
»Wir alle dienen der Göttin, mein Kind«, sagte sie leise. »Dein Weg ist dir schon lange vorausbestimmt und es steht nicht in unserer Macht, dies zu ändern.«
Sunnivah entzog sich der Umarmung und fragte bestürzt: »Muss ich denn wirklich fort? Selbst wenn ich es nicht will? Kann ich nicht…«
»Nein, Sunnivah. Es ist deine Bestimmung!«, unterbrach sie die Priesterinnenmutter und sah Sunnivah ernst an. »Niemand kann sich gegen sein Schicksal auflehnen. Auch wenn du dich mit aller Kraft dagegen wehrst, wirst du es niemals abwenden können. Du musst es annehmen.«
Doch Sunnivah konnte sich nicht so leicht damit abfinden. Die Ungeheuerlichkeit dessen, was die Visionen ihr offenbarten, war für sie nur schwer zu begreifen.
Ohne auf Banya-Leah zu achten, die sie zurückhalten wollte, stand sie plötzlich auf, öffnete die Tür und lief hinaus. Tränen verschleierten ihren Blick. Sie hörte nicht auf die erstaunten Rufe der Priesterinnen, die im Schein der großen Feuer auf sie warteten, und achtete auch nicht auf die Hände, die sich ihr vor dem Gebetshaus entgegenstreckten.
Sie musste allein sein.
Die nebelgraue Wölfin hörte Sunnivah, lange bevor sie sie sah. Das Mädchen gab sich keine Mühe, leise zu sein, und der Lärm, den sie verursachte, schmerzte in ihren empfindlichen Ohren. Langsam erhob sie sich von ihrem nächtlichen Lager am Weiher und zog sich in den Schutz der Bäume zurück.
Ich werde nicht fortgehen! Sie können mich nicht dazu zwingen. Die Worte kreisten unaufhörlich in Sunnivahs Kopf und ließen keinen Raum für andere Gedanken. Ihre Füße fanden den Weg zum Weiher wie von selbst. Erschöpft setzte sie sich neben der Eiche auf die taufeuchte Erde und lehnte ihren Rücken an den vertrauten Stamm.
Die Visionen konnten alles Mögliche bedeuten. Wie konnte sich Banya-Leah nur so sicher sein? Schwertpriesterin! Ausgerechnet sie, die noch nicht einmal zusehen konnte, wenn Roven ein Huhn schlachtete, sollte kämpfen.
Sunnivah lachte bitter und wischte ihre Tränen mit dem Ärmel ihres neuen Priesterinnengewandes fort.
Außerhalb der Tempelstadt gab es nur Not und Elend. Niemals würde sie freiwillig dorthin gehen. Wie konnte ihre Pflegemutter nur so etwas von ihr verlangen!
2
Dünne Schleierwolken verdeckten das verräterische Mondlicht über den kargen, felsigen Hängen der Valdor-Berge.
Vhait sah erleichtert nach oben. Ein leichter Wind blies ihm ins Gesicht und brachte den Geruch verbrannten Holzes mit sich. Vorsichtig spähte der junge Hauptmann über die niedrige Anhöhe, die seine Männer noch von dem Lager der Rebellen trennte. Sie hatten Glück. Die elf Männer hatten sich rund um das Feuer zum Schlafen gelegt und schienen sich sicher zu fühlen. Weiter unten auf einem großen Felsen erkannte Vhait einen einzelnen Wachtposten. Doch der wandte ihnen den Rücken zu und spähte hinunter ins Tal.
Der junge Hauptmann lächelte siegesgewiss. Wie er vorausgesehen hatte, rechneten die Rebellen nicht mit einem Angriff von den Hängen und bewachten nur den unteren Teil ihres Lagers.
Der mühselige Aufstieg hatte sich gelohnt. Auch wenn ihn
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