Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
aber sie verstehen mich eben auch ohne Worte.« Die Antwort war nicht einmal gelogen und Sunnivah hoffte, dass Fayola sich damit zufrieden geben würde. Doch ihre Kameradin runzelte nur die Stirn.
Plötzlich hörten sie das laute Geräusch unzähliger schwerer Stiefel, die sich ihnen rasch näherten. Schon im nächsten Moment bog mehr als ein Dutzend junger Krieger in den Gang ein und kam auf sie zu.
Fayola war neugierig und stellte sich ihnen in den Weg. »Was ist los?«, fragte sie.
»Die dritte Patrouille wird jeden Moment zurückerwartet«, erwiderte einer der Krieger. »Es geht das Gerücht, dass sie den Sohn des obersten Kriegsherrn gefunden haben.«
»Ich komme mit.« Mit einem Mal wirkte Fayola sehr aufgeregt. Sie hatte es noch immer nicht verwunden, dass sie an der großen Suche nicht hatte teilnehmen dürfen, und missgönnte jedem den Erfolg.
»Kommst du auch mit?«, fragte sie Sunnivah.
»Nein, ich gehe etwas essen.« Sunnivah deutete in die Richtung der großen Speisesäle. Fayola zögerte. Auf unerklärliche Weise fühlte sie sich noch immer für ihre Zimmergefährtin verantwortlich, selbst wenn sie ihre Hilfe längst nicht mehr benötigte.
»Geh ruhig«, sagte Sunnivah. »Ich komme schon allein zurecht.«
Als die Schritte der Krieger verklungen waren, setzte Sunnivah ihren Weg fort. Langsam ging sie durch die menschenleeren Gänge. Es war Zeit für das Abendessen und normalerweise waren jetzt Hunderte von Kriegern unterwegs in die großen Säle, in denen das Essen ausgegeben wurde. An diesem Abend schien Sunnivah jedoch die Einzige zu sein, die Hunger hatte.
Sicher sind alle auf dem Hof, um die Patrouille zu sehen, beruhigte sie sich und wollte gerade in den nächsten Gang einbiegen, als sie eine sonderbare Wärme zwischen ihren Brüsten spürte. Sunnivah blieb stehen und vergewisserte sich, dass sie nicht beobachtet wurde. Dann zog sie vorsichtig das Amulett ihrer Mutter unter dem Gewand hervor. Der kleine orange Stein leuchtete sanft und pulsierte in ihrer Hand. Staunend betrachtete Sunnivah das Amulett. Sie besaß es seit ihrer Geburt, hatte jedoch noch nie etwas Derartiges erlebt. Inzwischen fühlte sich der Stein fast heiß an und pulsierte stärker.
Plötzlich entsprang dem Stein ein leuchtender Funke. Er war nicht viel größer als einer der Leuchtkäfer, die Sunnivah häufig in den Wäldern von Daran gesehen hatte, und knisterte wie ein Holzscheit im Feuer. Wie ein kleiner oranger Stern schwebte er nur eine Armeslänge von Sunnivah entfernt in der Dunkelheit des Ganges und schien auf etwas zu warten.
Sunnivah verspürte keine Furcht.
Interessiert beobachtete sie, wie der Funke sich langsam in Bewegung setzte. Fast unmerklich schwebte er in die entgegengesetzte Richtung, die Sunnivah eigentlich einschlagen wollte. Dabei hielt er immer wieder an, als wolle er sich vergewissern, ob Sunnivah ihm auch folge.
Eilig verbarg sie das Amulett wieder in ihrem Gewand und ging dem merkwürdigen Lichtpunkt neugierig nach. Ihr Weg führte immer tiefer in die Festung hinein. Unzählige Treppen hinab und durch Gänge, die von keiner Fackel erhellt wurden. Schon nach kurzer Zeit blieb Sunnivah gar nichts anderes übrig als dem Funken zu folgen. Sie hatte sich hoffnungslos verlaufen. Blind tastete sie sich durch die finsteren, engen Gänge, bis sie irgendwann keinen gemauerten Ziegel mehr unter ihren Händen spürte. Doch der Funke blieb nicht stehen. Nackter, nur grob behauener Fels begleitete sie von nun an auf ihrem Weg durch das verschlungene Labyrinth der Tunnel und Stollen, die seit Generationen sicher kein Mensch mehr betreten hatte und in denen nicht einmal die haarigen Kerkerspinnen ihre Netze spannen. Längst bereute Sunnivah ihre Neugier, die sie dazu getrieben hatte, dem Licht zu folgen, denn sie hatte jedes Zeitgefühl verloren und auch der Hunger machte ihr schon zu schaffen.
Endlich sah sie weit voraus den flackernden Schein eines Feuers. Zu ihrer großen Erleichterung schwebte der Funke direkt darauf zu. Wenig später fand sie tatsächlich eine Fackel in einer rostigen Halterung an der Wand einer natürlichen Höhle. Doch mit der Fackel stimmte etwas nicht. Aufmerksam betrachtete Sunnivah die einsame Lichtquelle und stellte überrascht fest, dass die Flamme der Fackel überhaupt nicht qualmte. Dennoch beleuchtete ihr unstetes schwaches Licht fast die ganze Höhle, an deren Stirnseite sich eine verwitterte Eichentür befand.
Verschlungene Schriftzeichen, die Sunnivah noch nie gesehen
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