Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
hatte, prangten in roter Farbe auf der Tür. Doch im Gegensatz zur verwitterten Eichentür wirkte die Schrift sehr viel neuer. So überdeckte die Farbe an vielen Stellen das grüne Geflecht aus Schimmelpilzen, das die unzähligen Vertiefungen in der Tür ausfüllte, und selbst die dünnsten Linien der seltsamen Zeichen waren noch nicht verblasst.
Was war das für ein seltsamer Ort?
Sunnivah löste ihren Blick von der Tür und sah sich um.
Eisiger Schrecken durchfuhr sie.
Wo war der leuchtende Funke?
Sie durchsuchte die ganze Höhle und ging sogar ein Stück weit in den Gang hinein, durch den sie gekommen war, doch der Funke blieb verschwunden. In der Hoffnung, dass er vielleicht in ihr Amulett zurückgekehrt war, zog sie es aus ihrem Gewand hervor und hielt es sanft in der Hand. Doch der Stein blieb dunkel und kühl und Sunnivah erkannte, dass ihr das Amulett nicht helfen würde.
»Warum lässt du mich im Stich?«, rief sie. »Warum hast du mich überhaupt hierher geführt? Was soll ich hier?« Noch niemals hatte sie eine solche Hilflosigkeit verspürt.
Sunnivah zwang sich zur Ruhe, setzte sich auf den harten Steinboden der Höhle und schloss die Augen, um ihre Gedanken zu ordnen. Der einzige Weg aus dieser Höhle war der, den sie gekommen war. Doch die vielen finsteren Gänge mit ihren verwinkelten Abzweigungen hielten sie davon ab, den Rückweg zu suchen. Blieb nur noch die Tür. Vielleicht gab es dahinter einen Ausweg.
Entschlossen stand sie auf und ging zur Tür. Doch diese besaß weder Riegel noch Klinke und anstelle eines Schlüssellochs gab es nur eine sonderbare, kreisförmige Vertiefung.
Sunnivah überlegte nicht lange. Wenn sich die seltsame Tür nicht auf normalem Wege öffnen ließ, dann musste sie es eben anders versuchen. Sie trat so weit von der Tür zurück, wie es die Höhle zuließ, nahm kräftig Anlauf und warf sich mit der Schulter gegen das morsche Holz.
Ein greller Blitz flammte auf, noch bevor Sunnivah die Tür berührte, und die Wucht der Explosion schleuderte sie zurück.
Geblendet blieb sie am Boden liegen und wartete darauf, dass die bunten tanzenden Punkte vor ihren Augen wieder ein Bild ergaben und das Klingeln in ihren Ohren nachließ.
Die Tür war ihre letzte Hoffnung gewesen, aus diesem Labyrinth herauszufinden. Jetzt konnte sie nur noch versuchen den Weg zurückzugehen.
Plötzlich kam ihr ein Gedanke.
Naemy! Natürlich! Sie konnte noch immer die Nebelelfe rufen. Naemy brauchte keine Gänge und Tunnel, um sich fortzubewegen, und konnte sie mühelos auf den geheimen Pfaden der Elfen hier herausbringen.
Sunnivah wusste, dass es gefährlich sein konnte, innerhalb der Festung einen Gedankenruf auszusenden. Naemy hatte sie ausdrücklich davor gewarnt.
Doch das war Sunnivah jetzt egal. Sie brauchte dringend Hilfe. So wie Naemy es ihr beigebracht hatte, setzte sie sich hin, betrachtete die Eichentür und versuchte sich so viele Einzelheiten wie möglich einzuprägen. Dann schloss sie die Augen, öffnete ihren Geist und richtete einen kurzen, dringenden Hilferuf an Naemy, während sie der Nebelelfe gleichzeitig ein Bild von der Tür übermittelte.
Dann öffnete Sunnivah die Augen und wartete. Jeden Moment würde Naemy erscheinen.
Aber nichts geschah.
Sunnivah versuchte es noch einmal, doch auch ihr zweiter Ruf blieb ungehört. Als auch ihr dritter und vierter Ruf erfolglos blieben, kauerte sie sich in eine Ecke und begann zu weinen.
»Warum erfahre ich erst heute davon?« Mit raschen Schritten durchquerte Tarek den kleinen Raum, der den Magiern für gewöhnlich als Vorratskammer diente. Unmittelbar vor der leuchtenden blauen Kugel im hinteren Teil des Raumes blieb er stehen und sah den Meistermagier vorwurfsvoll an.
»Nun, wir waren uns über ihren Wert nicht sicher und…« Asco-Bahrran wollte seine Entschuldigung noch weiter ausführen, doch Tarek unterbrach ihn sofort wieder.
»Wie auch immer, das ist jetzt unwichtig. Seid Ihr ganz sicher, dass sie etwas über das prophezeite Kind weiß?« Interessiert betrachtete Tarek die hoch gewachsene anmutige Gestalt der Elfe hinter dem magischen blauen Licht ihres Gefängnisses. Nachdem auch die dritte Patrouille ohne Hinweis auf seinen Sohn zurückgekehrt war, kam ihm die reichlich verspätete Nachricht des Meistermagiers gerade recht, um sich von seinen trüben Gedanken abzulenken. Deshalb hatte er sich auch sofort auf den Weg gemacht, um die Gefangene mit eigenen Augen zu sehen.
»Ganz sicher«, erwiderte
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