Die Saga von Thale 02 - Die Macht des Elfenfeuers
Gewitterwolke aussieht?«, fragte Zahir zweifelnd. »Sie kommt aus dem Grasland, da . . . «
»Ich werde sie so lange beruhigen wie nur möglich « , unterbrach ihn Naemy. »Es ist besser für sie, wenn sie sich nicht so viele Sorgen macht. Wer weiß, was uns noch erwartet. Außerdem gibt sie sich doch mit meiner Erklärung zufrieden und . . . «
»Gewitter türmen sich aber nicht so auf«, sagte Kiany in diesem Augenblick, worauf Naemy in Gedanken eine spöttische Bemerkung von Zahir auffing. »Das muss ein ganz besonders heftiger Sturm werden « , vermutete Kiany. Besorgt drehte sie sich zu Naemy um, die hinter ihr saß und die Arme um die Taille des Mädchens geschlungen hatte. »Fliegen wir dorthin?«
»Wir müssen.« Naemy gab es auf, Kiany etwas vorzumachen. Sie hatte bisher nur erzählt, dass sie gemeinsam nach Norden fliegen wollten, aber verschwiegen, warum sie das taten.
Lya-Numi hatte sich zwar Kianys Visionen angehört, doch nach der anstrengenden Heimkehrzeremonie fehlte ihr die Kraft, sie deuten zu können. Deshalb suchte Naemy nach Beweisen, um die Botschaft der Visionen richtig zu verstehen.
Nach Norden, hatte die Stimme in einer der Visionen gesagt. Das war einer der wenigen klaren Hinweise und deshalb flogen sie jetzt nach Norden der düsteren Wolkenwand entgegen.
»Bringst du mich nach Hause?«, fragte Kiany in einem Ton, als hätte Naemy sie hintergangen.
»Nach Hause? Aber nein! Ich habe der Priesterinnenmutter doch versprochen, dich nach Nimrod zurückzubringen.« Naemy drückte Kiany beruhigend an sich. »Wie kommst du darauf? Wir wollen uns hier nur ein wenig umsehen, bevor ich dich zurück in die Festungsstadt bringe.«
»Aber ich kenne das Land da unten«, erwiderte Kiany. »Ich sah es in einer Vision als ich auf dem Riesenalp flog. Es war die gleiche Landschaft. Zahirs Schatten glitt so wie jetzt über den Wald. Bald erreichen wir das Grasland, nicht wahr? Und dann fliegen wir auf mein Heimatdorf zu.«
»Ich kenne dein Heimatdorf nicht«, gestand Naemy. »Ich gebe zu, dass ich auch kein richtiges Ziel hatte, als wir losflogen. Es ist, wie ich schon sagte: Wir wollen uns nur ein wenig im Norden Thaies umsehen.«
»Du willst dorthin, nicht wahr ? « Kiany deutete auf die hoch aufgetürmten Wolken. Der Anblick der brodelnden dunklen Masse machte ihr Angst. Etwas schien darin zu lauern, eine finstere alte
Macht, die nur darauf wartete, das Land zu verschlingen. Sie wollte den Blick abwenden, doch ihr Körper gehorchte ihr plötzlich nicht mehr. Gebannt starrte sie in die wirbelnde Düsternis und . . .
... sah, wie sich aus den brodelnden Wolken die Phalanx eines gewaltigen Heeres formte. Der stampfende Rhythmus schwerer Schritte nahm Kiany gefangen und ihr Herz schlug im Takt der marschierenden Krieger. Cha-Gurrline! Der Anblick nahm ihr fast den Atem.
Obwohl Kiany die hünenhaften schwarzen Krieger bisher nur auf Abbildungen gesehen hatte, erkannte sie sie sofort.
Der Strom der Krieger nahm kein Ende. Reihe um Reihe löste sich aus der düsteren Wolkenwand und folgte den vorauseilenden Kameraden nach Süden. Dahinter glomm in der Schwärze ein rubinrotes Augenpaar. Kiany erstarrte. Sie kannte diesen Blick. In der Nacht auf dem Turm hatte sie die glühenden Augen schon einmal gesehen. Doch diesmal erschien keine hässliche Fratze. Eine weite Kapuze, die zu einem langen Umhang gehörte, verhüllte alles, was sich um die Augen herum befand. Die Gestalt schien Kianys Blick zu spüren. Das Glühen der Augen verstärkte sich. Sie wurden immer größer, bis sie schließlich den gesamten Himmel über den vorrückenden Kriegern einnahmen. Eine unwiderstehliche Macht zerrte an Kiany und versuchte ihr Bewusstsein einzunehmen. »Nein!« Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Panik stieg in ihr auf, doch sie hatte nicht die Kraft, sich dem hypnotischen Blick zu entziehen, und fühlte, wie sie unaufhaltsam immer weiter auf das Augenpaar zuglitt.
»Kiany?« Jemand berührte sie sanft an der Schulter. »Kiany, was ist? Hast du eine Vision ? Was siehst du ? « Die Worte erreichten sie wie durch einen dichten Nebel. Sie wollte antworten, doch die Anstrengung ging über ihre Kräfte. »Krieger«, presste sie schließlich hervor. »Hunderte!« Sie erschauerte. »Naemy, die Augen!«, rief sie plötzlich. »Nein! . . . Naemy! Hilf mir, Naemy!«
Das Glühen erfüllte nun fast den ganzen Himmel.
Ein reißender Schmerz durchzuckte Kiany und fegte die Vision fort. Plötzlich war der Himmel
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