Die Saga von Thale 02 - Die Macht des Elfenfeuers
schulterte sie ihr Bündel, schob den Langbogen über die Schulter und machte sich im Laufschritt auf den Weg.
Der Schlaf hatte neue Kräfte in ihr geweckt. Sie fühlte sich so ausgeruht und rege wie schon lange nicht mehr. Ohne anzuhalten, verzehrte sie eine kalte Mahlzeit aus trockenem Brot und etwas Dörrfleisch aus ihrem Proviantbeutel. Der einstmals prall gefüllte Ledersack hing ihr inzwischen schlaff über den Rücken und sie wusste, dass die mageren Vorräte nicht mehr lange reichen würden. Bald müsste sie sich ausschließlich von dem ernähren, was sie im Wald vorfand.
Plötzlich spürte sie, wie der Boden leicht erzitterte, und blieb stehen. Die Erschütterungen wurden zu einem rhythmischen Klopfen, das nur von dem Hufschlag eines galoppierenden Pferdes stammen konnte. Ein kurzes Zeichen mit der Hand genügte und Naemy verschmolz mit den Schatten. Keinen Augenblick zu früh. Schon preschte ein Reiter mit wehendem Umhang nur wenige Längen entfernt an ihr vorüber. Rücksichtslos trieb er sein Pferd an, indem er ihm mit den Zügelenden heftig gegen die schweißnassen Flanken schlug.
Naemy blickte Ross und Reiter verwundert nach. Was suchte der Mann hier? Den Umständen nach zu urteilen, handelte es sich bei ihm um einen der wenigen Menschen, die dem Heer angehörten. Doch warum ritt er fort?
Naemy zog seufzend die Schulten hoch und machte sich wieder auf den Weg. Die Beweggründe des Mannes gingen sie nichts an. Er hatte sie nicht bemerkt, das allein zählte.
Im schwachen Licht der Monde trieb Skynom sein Pferd durch den Wald. Obwohl er sicher war, dass ihn niemand mehr verfolgte, gönnte er dem Tier keine Rast. Er war wütend und ärgerte sich über sich selbst. Gut, er hatte etwas Glück im Kartenspiel gehabt gedankenverloren tastete er mit einer Hand nach den gewonnenen Goldstücken, die in der Tasche seines Umhangs klimperten -, aber das war noch lange keine Entschuldigung dafür, dass er nicht mitbekommen hatte, wie sich Asco-Bahrrans Kutsche während der Rast vom Heer entfernte. Es wäre ihm allerdings eine Menge Ärger erspart geblieben, wenn er es sofort bemerkt hätte. Dann wäre der Magiergehilfe, dem das Pferd gehörte, noch am Leben, die Cha-Gurrline hätten ihn nicht verfolgt und sein Verschwinden kein Aufsehen erregt.
Aber daran ließ sich nun nichts mehr ändern. Der Gehilfe war tot, es war ihm gelungen, die Krieger abzuschütteln, und das Heer marschierte weiter nach Südosten, als wäre nichts geschehen. Jetzt konnte er sich ungehindert auf die Suche nach der Kutsche machen, die sich, wie er dem verängstigten Gehilfen noch hatte entlocken können, offenbar auf dem Weg in die Sümpfe von Numark befand. Skynom hatte keine Ahnung, was Asco-Bahrran dort suchte, wollte sich aber die Gelegenheit, den verhassten Magier allein anzutreffen, auf keinen Fall entgehen lassen. Mit heftigen Tritten in die Flanken spornte er sein Pferd weiter an. Asco-Bahrran hatte fast einen halben Sonnenlauf Vorsprung. Wenn er die Kutsche noch vor den Sümpfen einholen wollte, musste er sich mächtig beeilen.
Fassungslos starrte Naemy auf die Wagenkolonne hinab, die nur wenige Längen entfernt unter ihrem luftigen Versteck in den Asten eines Baumes vorüberzog. Die rubinrote Kutsche war nicht dabei!
Bis vor wenigen Augenblicken war sie an der Kolonne entlang geschlichen und hatte, als sie die Kutsche nirgends entdecken konnte, den Baum erklommen, um die Wagen noch einmal an sich vorüberziehen zu lassen, doch das Ergebnis war wieder das gleiche: Die Kutsche war fort. Wo bei den Toren war sie geblieben? Naemy stand vor einem Rätsel.
Kurz nachdem sie dem Reiter begegnet war, hatte sie das Ende des Heerwurms erreicht und sich an den Cha-Gurrlinen vorbei zur Wagenkolonne im vorderen Teil geschlichen. Sie seufzte und schüttelte den Kopf. Hätte sie doch bloß nicht so fest geschlafen! Obwohl sie wusste, dass es zu nichts führte, machte sie sich bittere Vorwürfe. Wie sollte sie Kiany jetzt nur wieder finden? Die Wälder von Daran erstreckten sich vom Yunktun bis fast vor die Tore Nimrods und waren so riesig, dass sich eine Kutsche mühelos viele Sonnenläufe lang unentdeckt darin aufhalten konnte. Ohne einen Anhaltspunkt war es völlig aussichtslos, mit der Suche zu beginnen.
Plötzlich stutzte Naemy. Warum verließ Asco-Bahrran das Heer, kurz bevor es Nimrod erreichte ?
Wollte er denn nicht Zeuge des Angriffs auf die Festungsstadt werden ? Oder war am Ende alles nur ein Täuschungsmanöver? Diese und andere
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