Die Saga von Thale 02 - Die Macht des Elfenfeuers
Tür vorübereilte. »Sorg dafür, dass dieser Mann eine Morgenmahlzeit erhält«, wies er den Jungen an.
Als der Kundschafter das Zimmer verlassen hatte, schloss der Abner leise die Tür und wandte sich wieder an Enron. »Keine guten Neuigkeiten! « , sagte er kopfschüttelnd. »Wir müssen uns beeilen. Das Tor zu sichern ist die vorrangige Aufgabe. Danach werde ich den Rat zu einer abschließenden Beratung einberufen. Was uns dann erwartet, liegt allein in der Hand der Göttin.«
»Wie hast du mich gefunden ? « Über Chantus ausgestreckten Flügel kletterte Naemy auf den Rücken des Riesenalps. »Indem ich dich gesucht habe.«
»Was du nicht sagst!« Mit dieser Antwort konnte Naemy genauso viel anfangen, als hätte Chantu gar nicht geantwortet. Sorgfältig befestigte sie ihren Langbogen, den Köcher und den Proviantbeutel an den Haltegurten des Fluggeschirrs, zog den Umhang aus Steppenbüffelfell aus dem Gepäck und nahm ihren Platz im Nacken des Riesenalps ein. Die Sonne stand inzwischen schon hoch am Himmel, aber es war noch immer empfindlich kühl. Wohlig schmiegte sich Naemy in den warmen Umhang und blickte sich um.
Der Platz war gut gewählt.
Ein Windbruch bildete auf der Westseite des Hügels eine breite Schneise in dem hoch aufragenden
Wald. Die mächtigen Stämme der Tannen lagen kreuz und quer über den ganzen Abhang verstreut wie achtlos fortgeworfene Hölzer, mit denen Kinder gespielt hatten. Ein leichter Wind strich aus dem Tal herauf. Er war gerade so kräftig, dass Chantu aufsteigen konnte. »Fertig?«, hörte sie Chantu fragen.
»Fertig! « Mit kraftvollen Flügelschlägen erhob sich der Riesenalp in die Lüfte und begann zu kreisen. Nachdem er genügend tragende Aufwinde gefunden hatte, schwenkte er nach Südwesten und glitt über die Wälder hinweg auf die Sümpfe von Numark zu. »Wohin fliegst du ? « Naemy ärgerte sich ein wenig, dass Chantu sie nicht nach ihren Plänen fragte, sondern einfach die Richtung bestimmte. Doch statt zu antworten, stellte Chantu ihr eine Gegenfrage. »Hast du nicht etwas verloren?«
Verloren? Naemy runzelte die Stirn. Sie hatte doch noch alles bei sich, den Bogen: den Köcher . . . Wieso sollte sie . . . Plötzlich begriff sie und ihre Miene hellte sich auf. »Ja, ich habe etwas verloren!«, rief sie. »Heute morgen war es plötzlich weg.« Chantus Beispiel folgend, vermied auch sie es, Asco-Bahrrans Kutsche beim Namen zu nennen, um den Magier, falls er sie belauschte, nicht frühzeitig zu warnen. »Siehst d u « , erklärte Chantu. »Und ich habe es gefunden. Schon gestern Abend habe ich es in dieser Richtung gesehen. Mit ein wenig Glück werden wir es schon bald wieder entdecken.«
Als die Sonne wenig später den Zenit erreichte, ging Chantu tiefer und flog etwas langsamer, damit Naemy einen besseren Blick auf den Boden hatte. Sie beugte sich zur Seite und spähte aufmerksam durch das herbstlich gefärbte Blätterdach. Eine Weile grübelte sie noch darüber nach, woher Chantu das alle wusste, doch da der zu keiner Erklärung bereit war, schob sie die lästigen Gedanken einfach zur Seite. Sie musste sich damit abfinden, dass die Riesenalpe, die sie so gut zu kennen glaubte, mehr Fähigkeiten besaßen, als sie ahnte.
Schweigend starrte Lya-Numi in die flache Schale, die vor ihr auf dem Tisch stand. Ihre Lippen bebten, doch ihre Hände, die die Schale hielten, waren ganz ruhig. Keine Welle kräuselte die spiegelglatte Oberfläche des Wassers, das sich darin befand, und das Bild, das sich in der Schale zeigte, war klar und scharf.
»Ich wusste e s ! « , flüsterte die Elfenpriesterin und nickte bedächtig. »Oh, ich wusste, dass du kommen würdest.« Mit grimmiger Miene beobachtete sie eine rubinrote Kutsche, die sich den Weg über die unwegsamen Pfade des Elfenreiches vorankämpfte. Begleitet von einer Eskorte sechs hünenhafter schwarzer Krieger, fuhr sie durch die Nacht, kam jedoch nur langsam vorwärts. Immer wieder versanken die schmalen Räder im Schlamm und die Krieger mussten eingreifen, um sie zu befreien. Doch Lya-Numis Aufmerksamkeit galt nicht den Kriegern. Sie wartete auf Asco-Bahrran. Der dunkle Magier saß verborgen hinter den dicken Vorhängen der Kutsche da war sie sich ganz sicher. In der Nacht, als die Kutsche die Grenze der Sümpfe von Numark überschritt, hatte Lya-Numi die Aura seiner dunklen Magie gespürt und war sofort an die Wasserschale geeilt, um ihn zu beobachten.
Dass er kam, überraschte sie nicht. Längst war aus der
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