Die Saga von Thale 02 - Die Macht des Elfenfeuers
zog die Schultern in die Höhe. Ein Zeichen dafür, dass er auf die Frage des Prinzregenten keine Antwort wusste. Der junge Nebelelf trug die Haare ungewöhnlich kurz, hielt sie aber trotzdem mit einem bei Elfenkriegern üblichen dünnen Lederband zurück, das er sich um die Stirn gebunden hatte. Dazu trug er die traditionelle, kurze, in Grünund Brauntönen gehaltene Tunika der Krieger und am Gürtel ein Kurzschwert in lederner Scheide.
Auch die Elfenpriesterin schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht«, gab sie zu. »Für einen richtigen Angriff war es zu schwach, abgesehen von dem Ende, als sich die Aura für kurze Zeit dramatisch verstärkte. Dafür erstreckten sich die Schwingungen allerdings über einen verhältnismäßig langen Zeitraum. Vielleicht gibt es in Nimrod irgendjemanden, der sich im Gebrauch dunkler Magie versucht.«
»Aber dann hättest du früher schon etwas spüren müssen«, gab Naemy zu bedenken. »Ich bin sicher, es steckt mehr dahinter.«
»Und was?« Sheehan schien Naemys Auffassung nicht zu teilen. Nachdenklich rieb er sich das Kinn und sagte: »Ich denke, Lya-Numi hat Recht. Die Menschen sind schwach und die Versuchung der dunklen Macht zieht sie nur allzu leicht in ihren Bann. Wahrscheinlich wollte irgendein Druidenschüler in Nimrod seine Fähigkeiten ausprobieren und ist kläglich daran gescheitert. Das würde auch die heftigen Schwingungen erklären, nach deren Ende die Aura erlosch.«
»Es könnte aber ebenso gut ein Versuch der dunklen Mächte gewesen sein, in Thale wieder Fuß zu fassen«, erwiderte Naemy. »Wir sollten den Rat der Fünf in Nimrod über unsere Entdeckung in Kenntnis setzten.«
»Sie werden es nicht hören wollen«, warf der Prinzregent ein. »Sie werden uns verhöhnen und fortschicken. So, wie sie es damals getan haben, als wir sie wohlmeinend auf ihre allzu große Sorglosigkeit hinwiesen.« Jeder der Anwesenden spürte bei diesen Worten deutlich, wie tief die Demütigung noch saß, die Kyle-Nat vor vielen Sommern bei einem Besuch in Nimrod erlitten hatte.
Angesichts der Tatsache, dass der Meistermagier des finsteren Herrschers nach der vernichtenden Schlacht verschwunden war und sein Schicksal niemals geklärt werden konnte, sahen sich die Elfen damals genötigt, die Menschen von Thale hin und wieder vor allzu großer Sorglosigkeit zu warnen und sie daran zu erinnern, dass der Friede in Thale längst nicht so sicher war, wie es den Eindruck hatte. Doch davon wollte man in Nimrod nichts hören und der Rat der Fünf hatte ihre Bedenken verworfen. Nach so langer Zeit sei es unmöglich, dass der Meistermagier noch am Leben sei, hieß es. Die Sorgen der Nebelelfen seien daher völlig unbegründet. Überhaupt sei es nicht die Aufgabe der Elfen, ständig als Mahner vor dem Rat aufzutreten und die Menschen auf ihre vermeintlichen Unzulänglichkeiten hinzuweisen.
Derart gekränkt, hatte der Prinzregent alle Beziehungen zu den Menschen abgebrochen. Zwar gab es keinen offenen Streit zwischen den beiden Rassen, doch die Elfen gingen den Menschen aus dem Weg und beschränkten sich fortan darauf, in Thale ohne die Mithilfe der Menschen nach Anzeichen dunkler Magie zu suchen.
»Damals hatten wir auch keine Beweise dafür, dass es noch eine Bedrohung gibt«, warf Naemy ein.
»Und? Haben wir denn dieses Mal Beweise?«, fragte Sheehan und beantwortete seine eigene Frage mit einem Kopfschütteln.
»Wenn wir es uns erlauben, Hinweise zu missachten, und seien sie noch so klein, sind wir nicht viel besser als die Menschen«, entgegnete Naemy. »Ihr wisst so gut wie ich, dass Lya-Numi schon sehr lange, wenn auch nur schwach, dunkle Schwingungen empfängt, deren Ursprung wir bisher nicht ergründen konnten. Nun spürte sie zum ersten Mal dunkle Magie innerhalb der Landesgrenzen -und ausgerechnet in Nimrod. Wenn ihr mich fragt, ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, da wir die Verbindung zu den Menschen wieder aufnehmen sollten. Ein Wiedererstarken der finsteren Mächte bedroht uns alle.«
»Wir werden uns nur lächerlich machen«, erwiderte Sheehan.
»Wie kannst du da so sicher sein?«, fragte Naemy. »Zwei Menschengenerationen sind vergangen, seit wir uns zurückgezogen haben. Keiner, der damals dem Rat der Fünf angehörte, ist heute noch am Leben. Vielleicht ist der jetzige Rat vernünftiger. Vielleicht besitzen die Menschen schon selbst Kunde von den dunklen Mächten und sind froh über jeden neuen Hinweis. Vielleicht... «
»... sind sie uns inzwischen nicht mehr freundlich
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