Die Saga von Thale 03 - Die Hüterin des Elfenfeuers
Pflichtgefühl, doch nun gab es zwei gegensätzliche Pflichten, die er zu erfüllen hatte, und er sah sich außer Stande zu entscheiden, welcher er den Vorrang geben sollte.
»Fedeon! Wann hast du sie das letzte Mal gesehen?« Naemy rüttelte den jungen Skalden so heftig an der Schulter, als hätte sie ihn schon zum wiederholten Mal gefragt.
»Wie?« Fedeon blickte die Nebelelfe an, als wäre er in Gedanken sehr weit fort. »Shari? Ah . . . gesehen . . . ja, ja. Bevor ich in die Hütte ging!« Er fasste Naemys Hand und versuchte, sich an der Elfe vorbeizudrängen. »Lass mich los! Ich muss nach Nimrod«, sagte er und zwängte sich durch die schmale Türöffnung. Draußen blieb er verblüfft stehen. Vor der Hütte lagerten mehr als zwei Dutzend Nebelelfen!
»Bei den Toren, was tun die alle hier?«, stieß er hervor und drehte sich um, aber Naemy war bereits um die Hütte herumgelaufen und hörte ihn nicht. Im grauen Licht des frühen Morgens entdeckte Fedeon Glamouron, der gemeinsam mit zwei anderen Nebelelfen den Waldrand hinter der Hütte absuchte. Mit wenigen Schritten war er bei ihnen und wollte etwas sagen, doch in diesem Augenblick kam Naemy herbeigelaufen. »Bronadui ist auch weg!«, erklärte sie mit versteinerter Miene.
»Bronadui? O nein!«, rief Fedeon bestürzt aus. »Ich wollte gerade mit ihm nach Nimrod reiten. Ich muss sofort dorthin. Paira ist in großer Gefahr! Ich habe es in einer Vision gesehen. Wenn ich sie retten will, muss ich auf der Stelle zu ihr. Ich weiß gar nicht, warum ich so lange gewartet habe, ich hätte sie niemals so lange allein lassen dürfen. Die Schlacht ging verloren, und sie ist da unten ganz auf sich gestellt. Ich hätte schon längst. . . « Der Redeschwall des jungen Skalden brach mitten im Satz ab. Verwundert riss er die Augen auf und starrte blicklos zum Himmel, dann sank er zu Boden.
»Tut mir Leid, aber es musste sein.« Glamouron löste die Hand von Fedeons Nacken. Ein einfacher Kre-An-Sor-Griff hatte genügt, um den jungen Mann in das Reich der Träume zu schicken. »Wir haben auch so schon genug Schwierigkeiten.«
»Ich hätte nicht gedacht, dass die Wirkung der Illusion so schnell nachlässt.« Schuldbewusst blickte Naemy auf den jungen Skalden hinab. »Er hat ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren, so wie alle hier. Ich werde es ihm erklären, sobald er erwacht.« Sie seufzte und rieb sich müde die Augen. »Der Arme ist völlig verwirrt. Doch das muss warten. Zunächst müssen wir herausfinden, wo Shari ist.«
»Sie ist fortgeritten!« Eine melodische weibliche Stimme aus der Dunkelheit des Waldes beantwortete Naemys Frage, bevor Glamouron das Wort ergreifen konnte.
»Fort?« Naemy erschrak und blickte sich suchend nach der Sprecherin um. »Aber was . . . ?«
»Ihr Anliegen war durchaus edelmütiger Natur.« Langsam trat eine junge Frau aus den Schatten zwischen den Bäumen. Ein bodenlanges, fließendes Gewand hüllte die durchscheinende Figur ein und bedeckte selbst die nackten Füße, mit denen sie graziös über dem nadelbedeckten Boden dahinschwebte. Das lange schwarze Haar floss ihr über die Schultern bis zur Hüfte hinab, und die Haut war von einer übernatürlich blassen Farbe. »Du weißt, was sie plagte.«
»Wer seid Ihr?« Naemy schob Glamourons Hand fort, der zu ihr getreten war und sie beruhigend am Arm fasste. »Wo kommt Ihr her? Was. . . was habt Ihr mit meiner Schwester gemacht?« Zorn, Sorge und eine unterschwellige Drohung schwangen in der Stimme der Nebelelfe mit, als sie zwei Schritte auf die sphärische Gestalt zutrat. »Wo ist Shari?«, verlangte sie zu wissen. »Sie hatte geschworen, diese Lichtung nicht zu verlassen!«
Es trat eine kurze Stille ein, während sich die beiden im silbernen Mondlicht ansahen. Naemys Sinne arbeiteten wie rasend. Die Sorge um Shari drohte sie zu überwältigen, und das unheilvolle Gefühl, dass etwas Furchtbares geschehen war, nahm ihr fast den Atem, doch sie riss sich zusammen und zwang sich, ruhig zu bleiben. »Wo ist Shari?«, presste sie mühsam beherrscht hervor.
»Sie nahm das Pferd, um den Wehrlosen in Numark zu Hilfe zu eilen«, erklärte die Frau. Ihre Stimme war wohlklingend, aber ohne jedes Gefühl. »Doch das durfte nicht sein.« Sie breitete die Arme aus und fügte hinzu: »Ich musste sie aufhalten.«
»Was habt Ihr getan?« Außer sich vor Sorge machte Naemy drei weitere Schritte auf die Frau zu, doch diesmal hielt Glamouron sie zurück. Ohne Rücksicht auf die schmerzende Verletzung
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