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Die Sakristei Des Todes

Die Sakristei Des Todes

Titel: Die Sakristei Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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wie
Donner. Athelstan schloß die Augen und murmelte ein Gebet. »Gott
schenke ihr die ewige Ruhe«, sagte er. »Herr, du bist unser Zeuge: Wir beabsichtigen keine
Unehrerbietigkeit; wir suchen nur die Wahrheit.«
    »Der liebe Gott wird das verstehen«,
dröhnte Cranston; er hob den Schädel hoch und hielt die Kerze noch
näher. »Vergiß die frohe Botschaft nicht, Athelstan: Auf den Geist
kommt es an, denn das Fleisch ist nichtig. Und jetzt, mein guter
Mönch …«
    »Ordensbruder, Sir John.«
    Der Coroner grinste boshaft.
»Natürlich. Aber ich will dir Cranstons Philosophie von Beobachtung
und Deduktion darlegen. Schau den Schädel genau an, Athelstan, und
sag mir, was du siehst.«
    Er hielt dem Priester Schädel und
Kerze hin, und dieser leuchtete in die Öffnung hinter dem Kiefer
und inspizierte eingehend das Innere des Schädels. »Nichts«,
murmelte er dann.
    »Na, na, Bruder. Zuviel Ale
vernebelt das Hirn und macht die Augen stumpf.« Cranston drückte
seinen Arm. »Schau noch einmal.«
    Athelstan tat es und schnappte nach
Luft. Er schob die Kerze weiter hinein.
    »Gib acht, daß du nicht den Knochen
verbrennst«, warnte Cranston.
    Athelstan betrachtete die rötliche
Färbung unter der Schädeldecke. »Wie rote Farbe«, murmelte er.
»Sehr schwach.« Cranston nahm ihm Schädel und Kerze ab und hielt
beides so in der Hand, daß er im trüben Halbdunkel aussah wie ein
Meister der Schwarzen Kunst. Er blies die Kerze aus und legte den
Schädel wieder in den Sarg. Er klappte den Deckel zu, nahm Platz
und klopfte auffordernd neben sich auf die Holzbank, Athelstan
solle sich zu ihm setzen. »Meine Theorie, guter Mann«, begann er
hochtrabend, »basierend auf Beobachtung, Logik und Deduktion,
besagt, daß dieses Skelett einer jungen
Dame gehörte, die ermordet und in dieses
Loch unter dem Altar gelegt wurde. Von wem, das weiß ich nicht.«
    »Und wie wurde sie
ermordet?«
    »Durch Ersticken oder
Strangulieren.«
    »Wie könnt Ihr das
beweisen?«
    »Ich habe es schon ein paarmal
gesehen. Ein genuesischer Arzt hat mir die Zeichen beschrieben.
Wenn jemand erstickt oder erwürgt wird, platzen offenbar die
Blutgefäße im Gehirn, und der Schädelknochen wird vom Blut
befleckt.«
    »Und Ihr glaubt, so ist es hier
passiert?«
    »Ich weiß es sogar, mein Bester. Die
Frage ist, wer hat es getan und warum? Es könnten die Arbeiter
gewesen sein, die die Platten verlegt haben.«
    »Oder der Priester, der hier gewohnt
hat.« Cranston tätschelte seinen Schenkel. »Ja, ja. Wir dürfen auch
Fitzwolfe — gesegneten Angedenkens — nicht vergessen. Vielleicht
sollten wir der Liste seiner Verbrechen noch Mord
hinzufugen.«
    Athelstan schaute sich in der Kirche
um. Jetzt wirkte sie nicht mehr freundlich oder fröhlich. Ein
furchtbarer Mord war hier begangen worden, und die schreckliche
Sünde schien wie eine lastende Wolke über dem Gebäude zu hängen.
Gab es nirgends Sicherheit? fragte er sich. Sickerten Mord und
grausiger Totschlag in jede Ritze, jeden Spalt der menschlichen
Existenz? Ihn schauderte, und er stand auf. »Sir John, Ihr habt
gesagt, Ihr wolltet mich in einer eigenen Angelegenheit sprechen?«
Cranston zog eine Grimasse.
    »Ja, aber nicht hier, Bruder. Hast
du noch was von diesem ausgezeichneten Wein?«
    »Eine Flasche habe ich heute
verbraucht, aber eine ist noch da für Euch, Sir John.«
    »Gut, dann laß uns von hier
verschwinden. Ich bekomme allmählich eine Gänsehaut, und mein Magen
brüllt nach dem Saft der Rebe.«
    Athelstan schloß die Kirche
sorgfältig ab und führte Sir John hinüber zum Pfarrhaus. Gottlob
war Bonaventura wieder verschwunden. Athelstan schloß die Läden,
zündete die Kerzen an und entfachte das Feuer mit etwas Reisig neu.
Er schenkte für Sir John und sich zwei große Becher Wein ein.
Cranston zog die Kerze zu sich und schob eine kleine Pergamentrolle
über den Tisch. »Lies das, Bruder.«
    »Warum?«
    »Lies es einfach.«
    Athelstan schnürte das Pergament auf
und studierte die geübte Handschrift eines Schreibers. Er las
einmal und blickte dann verwundert auf.
    »Eine sonderbare Geschichte, Sir
John. Was habt Ihr damit zu tun?«
    Cranston erzählte, und Athelstan
stöhnte auf. »Oh, Sir John, um der Liebe Gottes willen, Ihr sitzt
in der Falle! Wißt Ihr denn nichts von diesen Rätseln, diesen
raffinierten Mosaiks der Logik? Manche sind jahrhundertealt und
wurden nie gelöst.«
    Cranston zuckte die Achseln. »Ich
denke, dies hier ist eine wahre Geschichte.«
    »Sir John, das könnte Euch

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