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Die Sakristei Des Todes

Die Sakristei Des Todes

Titel: Die Sakristei Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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sah, der jetzt alles
bedeckte.
    »Man könnte meinen, hier hätte eine
Belagerung stattgefunden«, kicherte Cranston, machte aber sofort
ein ernstes Gesicht, als Athelstan ihn mit schmalen Augen
anfunkelte und dann zu den Arbeitern hinübersah, die geschäftig ihr
Werkzeug in Taschen mit Ledergriffen packten. »Keine weiteren
Skelette, Pater«, meldete der Vorarbeiter. Das leise Lachen, das
sein Scherz hervorrief, brach ab, als Athelstan mit großen
Schritten auf ihn zukam. »Das war nur Spaß, Pater«, sagte der
Vorarbeiter. »Ihr könnt uns nicht verantwortlich machen.«
Verzweifelt bemüht, das Thema zu wechseln, deutete er in den Chor.
»Schaut, die meisten Platten sind
raus.«        
    Athelstan schaute sich um. Der Boden
des Altarraums bestand jetzt nur noch aus gestampftem Lehm; wo der
Altar gestanden hatte, gähnte ein furchtbares Loch. Die Steine
lagen säuberlich gestapelt an der Wand, und alter Kies und Sand
waren zu Haufen geschaufelt. Athelstan faßte den Mann bei der
Schulter. »Ihr habt gute Arbeit gemacht«, stellte er fest und ging
zu den Steinen, um sie genauer anzusehen.
»Hier« - er wühlte in seiner Börse nach einer Münze und warf sie
dem Vorarbeiter zu -, »trinkt einen Topf Ale. Ihr bekommt euren
vollständigen Lohn, wenn die Arbeit getan ist. Aber du siehst aus,
als hättest du Erfahrung als Steinmetz.« Er klopfte auf eine der
Platten. »Also sag mir: Wurden diese Steinplatten verlegt, als die
Kirche gebaut wurde?«
    »Nein«, antwortete der Mann. »Die
sind hastig gelegt worden, und vor nicht allzu langer
Zeit.«
    »Wann?«
    Der Mann zuckte die Achseln. »Vor
ungefähr zehn Jahren, vielleicht mehr. Seht Ihr, Pater« - sein
staubiger Stiefel tappte auf den gestampften Lehmboden - »ich
schätze, diese Kirche ist ungefähr hundertfünfzig Jahre alt, und
als sie gebaut wurde, hatte sie noch keinen Altarstein, sondern nur
festgestampfte Erde. In London findet Ihr heute noch solche
Kirchen. Weil wir so nah am Fluß sind, ist der Boden feucht; ich
nehme an, einer der Priester hat jemanden beauftragt, die
Steinplatten zu legen. Der Mann hat sogar sein Zeichen
hinterlassen.« Der Arbeiter nahm eine Kerze aus dem Holzkasten vor
der Statue Unserer Lieben Muttergottes. Er zündete sie an und hielt
sie dicht an eine der Platten. »Seht!« sagte er. »Da ist das
Zeichen eines Steinmetzes.« Athelstan und Cranston betrachteten die
drei Lettern, die dort eingemeißelt waren: A.Q.D. »Was bedeutet
das?« fragte Athelstan.
    »Nun, jeder Maurer hat sein
Zeichen«, erklärte Cranston. »Und das hier gehört offenbar dem
Mann, der den Chor ausgelegt hat.«
    »Könnten wir herausfinden, wer das
ist?«
    »Das bezweifle ich«, meinte der
Arbeiter. »Allein in Southwark gibt es Dutzende von Maurern und
Steinmetzen. Und wer weiß? Der Priester hat vielleicht jemanden von
der anderen Seite des Flusses geholt oder sogar aus einem der
Dörfer außerhalb von London. Ich kenne das Zeichen jedenfalls
nicht.« Er nahm seine Tasche und winkte seinen Leuten. »Das ist
alles, was ich Euch erzählen kann, Pater. Kommt, Leute, unsere
Kehlen sind trocken!«
    »Macht die Tür hinter euch zu!« rief
Athelstan. Er wartete, bis sie weg waren; dann führte er Cranston
zu dem großen Gemeindesarg. Er und Cranston studierten das Skelett
gründlich, und Athelstan erzählte dem Coroner, was er bisher
erfahren hatte.
    »Ich gebe dem guten Doktor recht«,
erklärte Cranston, und seine Stimme klang hohl durch die dunkle
Kirche. »Ich glaube auch, daß es eine Frau ist.« Er befingerte das
Kreuz und rieb das zerbröselnde Holz. »Das Fleisch ist ziemlich
schnell verwest; im Lehmboden haben sich zwar die Knochen gut
erhalten, aber das Holz nicht.« Er nahm das Kreuz zur Hand; im
Grunde waren es nur zwei zusammengenagelte Holzstücke. »Sehr
plump«, stellte er fest. »Im Kern ist das Holz noch hart. Weißt du,
Pater, wenn ich raten soll, so würde ich sagen, diese junge Lady
wurde vor höchstens fünfzehn Jahren hier begraben.«
    »Zur gleichen Zeit, als auch die
Steinplatten verlegt wurden?«
    »Genau.« Cranston holte tief Luft.
»Gott verzeih mir.« Er hob das Gerippe hoch und drückte den Kopf
nach hinten, ohne sich um das Knacken der Halswirbelknochen zu
kümmern. Er spähte in den Schädel hinein und holte die Kerze näher
heran, bis der Hohlraum darin gespenstisch leuchtete.
»Interessant«, murmelte er. »Was denn, Sir John?«
    Cranston löste den Schädel jetzt
ganz von der Wirbelsäule. Das Knacken hallte durch die Kirche

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