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Die Sakristei Des Todes

Die Sakristei Des Todes

Titel: Die Sakristei Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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Prior würde warten müssen, und das
Skelett in der Kirche ebenfalls. Heute abend würde er nicht die
Sterne studieren, sondern das Problem analysieren, das Cranston
mitgebracht hatte.
    Er setzte sich an den Tisch und
studierte das Manuskript, das Cranston dagelassen hatte. Wie hatten
diese Männer im scharlachroten Gemach so raffiniert ermordet werden
können? »Nichts zu essen«, flüsterte er, »nichts zu trinken, keine
Falltüren und keine verborgenen Vorrichtungen. Kein lautloser
Mörder. Wie also sind diese Männer gestorben?« Athelstan
durchdachte alle Möglichkeiten, aber die Todesfälle waren scheinbar
so einfach - es gab keinen Hinweis, keinen Haken, an dem man einen
Verdacht hätte befestigen, keinen Spalt, den man hätte aufbrechen
können. Athelstan fielen die Augen zu. Jäh schrak er hoch. Die
Kerze war heruntergebrannt. Irgendwie, folgerte er, lag der
Schlüssel zu all den Todesfällen bei den letzten beiden. Was hatte
den Armbrustschützen so erschreckt, daß er seinen Kameraden
erschossen hatte?
    Wieder fiel ihm der Kopf auf die
Brust, und er versank in einem tiefen Traum: Er saß in einer
scharlachroten Kammer, und die Gestalt des Todes mit seinem
Totenkopfgesicht drehte sich in seltsamem Tanz, während eine
lautlose Macht langsam und drohend immer näher kam. Am nächsten
Morgen erwachte Athelstan frierend und steif; er saß noch immer am
Tisch, den Kopf auf die Arme gelegt, und Bonaventura rieb sich
auffordernd an seinem Bein. Irgendwo zwischen den schmutzigen
Hütten und Behausungen von Southwark krähte ein Hahn sein
Morgenlied in die aufgehende Sonne. Der Priester stand auf und
streckte sich; er rieb sich das Gesicht und wünschte, er wäre ins
Bett gegangen. Er rollte das Pergament zusammen, das Cranston ihm
gegeben hatte, und brachte es hinauf in seine Schlafkammer, um es
dort in die Truhe zu legen. Dann zog er sich aus, wusch sich mit
einem nassen Lappen, rasierte sich und versuchte, sich auf die
Messe zu konzentrieren, die er lesen mußte. Er durfte sich nicht
von den Gedanken ablenken lassen, die ihm im Kopf herumgingen. Er
putzte sich die Zähne mit einem Gemisch aus Salz und Essig, holte
seine zweite Kutte hervor, aß zum Frühstück ein bißchen altbackenes
Brot und fütterte geistesabwesend Bonaventura, der die Nacht
anscheinend mit einem Streifzug durch sein Königreich in den Gassen
rings um die Kirche verbracht hatte. »Irgend etwas sagt mir,
Bonaventura«, meinte Athelstan leise, als er sich niederhockte, um
den zerzausten Kater zu füttern, »daß dies ein seltsamer Tag werden
wird.« Er ging hinüber in die Kirche und las allein die Messe an
einem behelfsmäßigen Altar in der Mitte des Kirchenschiffs.
Sorgfältig vermied er jeden Blick auf den Sarg mit seinem grausigen
Inhalt, der zu seiner Linken stand. Niemand außer Pemel, der Flamin, kam, und sie schien sich mehr
für den Sarg zu interessieren. Athelstan beendete seine Messe und
räumte den Altar für die Bauarbeiter ab. Er fütterte Philomel und
ließ das Schlachtroß mit locker zusammengebundenen Vorderbeinen in
seinem kleinen Garten herumlaufen, damit es ein wenig Bewegung
hatte. Dann kehrte er ins Haus zurück. Er beschloß, sich auf die
Zusammenstellung der Liste der benötigten Vorräte zu konzentrieren,
ehe er sich wieder den Skizzen zuwandte, die zeigten, wie der neue
Chor aussehen sollte. Aber er war immer noch hungrig und rastlos,
und so verschloß er sein Haus und ging zu einer Garküche in der
Blowbladder Alley.
    Er kaufte sich eine knusprige
Fleischpastete und einen Teller Gemüse mit Sauce; dann setzte er
sich draußen an die Wand und genoß die heiße Tunke und den würzigen
Duft. Ein Betder, dem für irgendein früheres Verbrechen die Nase
aufgeschlitzt worden war, kam herangekrochen und winselte um
Almosen. Athelstan gab ihm zwei Pennys. Der Kerl verschwand in der
Garküche, kaufte dem Fettkloß von Bäcker ein paar Pasteten ab und
setzte sich neben Athelstan. Nach einer halben Stunde hatte
Athelstan genug von seinen weitschweifigen Geschichten über seine
Heldentaten als Soldat und beschloß, einen Spaziergang zu machen.
Er mochte Southwark in der Frühe immer gern, trotz der
überlaufenden Gassenrinnen, der faulig stinkenden Abfallberge und
der Bewohner der Unterwelt, die sich jetzt in ihre Kämmerchen
verdrückten, um dort die Rückkehr der Nacht abzuwarten. Eine Hure,
deren scharlachrote Perücke schief saß, lehnte an einer Wand und
schrie freundliche Schmähungen zu ihm herüber. Ein Trödler

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